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pfersmcmn v. Eichthal
stellt werden und er wäre Seiner Exzellenz dankbar, wenn ihm
die seinen übermittelt würden."
Am selben Nachmittage noch verfügte ein Befehl des k. u. k.
Armeeoberkommandos den Eintritt des Kriegszustandes mit Italien.
Der Krieg hatte begonnen.
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Der Harnisch, den Tirol sich mit so großen Opfern im Laufe von neun Sor-
genmonaten aus eigener Kraft geschmiedet, bestand seine Feuerprobe in den folgen¬
den Wochen glänzend, während das Deutsche Alpenkorps und die übrigen Ver¬
stärkungen noch aus der Ferne heranrollten, hielten die Tiroler und Vorarlberger
Standschützen in den vom Stilfserjoch bis an die Kärntner Grenze reichenden Fels¬
und Schneegräben treue wacht. Wo die ersten Alpinipatrouillen in den Tagen nach
dem 23. Mai über die Grenze vorfühlten, stießen sie auf hechtgraue Gestalten, pfiff
ihnen totsicheres Tirolerblei entgegen, wo es — ausnahmsweise einmal — zum
Handgemenge kam, wehrten sich die Großväter samt den Enkeln wie die Rasenden.
Lebendig fiel keiner den „Wallischen" in die Hände.
war es zu verwundern, wenn die Italiener auf den großangelegten Theater-
coup hereinfielen? wenn die italienische Heeresleitung allmählich den Eindruck
erhielt, als stünden in all den Gräben rings um Tirol nicht eilends zusammen¬
getrommelte Bauernhaufen, sondern wirkliche Soldaten.
Diese Erkenntnis zwang den Feind seinen Kriegsplan plötzlich zu ändern. Aus
war es mit dem „Spaziergang nach Wien", den man dem königlichen Heere drei¬
viertel Jahre lang weisgemacht hatte, aus mit dem „Einmarsch" in das hei߬
begehrte „Trentino". Fast zwei ganze königliche Armeen wurden nunmehr langsam,
vorsichtig, systematisch, rings um Tirol bereitgestellt und nicht früher losgelassen,
bis das letzte Geschütz und der letzte Mann zur Stelle war.
Als es aber dann endlich so weit gediehen, war es zu spät. Zum Angriff
übergehend stießen die königlichen Truppen überall bereits auf deutsche Helme
und sonstige frisch herangefahrene k. u. k. Truppen und bissen damit auf Granit.
Der Angriff selbst, vor wenigen Tagen noch ein Kinderspiel, wurde nun zum
schwierigsten Beginnen und endete mit einem kläglichen, in der ganzen Welt be¬
lächelten Mißerfolg. Dies aber war unbestreitbar das Werk der Tiroler Landes¬
verteidigung.
Ls ist fraglich, ob sich in dieser ideallosen Zeit von heute einmal Männer
finden werden, die die Geschichte der einzelnen Standschützenbataillone schreiben
werden. Sicher wäre sie des Niederschreibens wert.
Hier sei nur vorweg festgestellt für alle Zeiten: Dieser Standschützen¬
ausmarsch von j 5 war das größte Blutopfer, das ein Volk je¬
mals seinem Herrscher gebracht hat. Inderganzenweltgeschichte
ist kein Fall bekannt, daß ein Volk sich so zum Hampf gestellthat
bis zum Weißbluten, bis zum letzten, allerletzten Mann!
Unvergeßlich wird jedem der Eindruck sein, den in den folgenden Wochen die
verödeten Tiroler Dörfer machten. Generalleutnant Kraft v. Dellmensingen äußerte
damals, gelegentlich einer Frontfahrt einen Mitteltiroler Ort passierend, zum ver-
fass«:
„Ich sehe im ganzen Dorfe keinen einzigen Mann. Nur Weiber, alte Greise
und kleine Kinder, wo sind denn eigentlich alle Tiroler?"
„Ihre Blüte liegt in Ostgalizien begraben, was davon noch lebt, ist eben
hinter den Russen her. Und die ganz Jungen und die ganz Alten stehen dort, wo
wir eben hinfahren, den Welschen gegenüber."