Volltext: Das k. u. k. 3. Regiment der Tiroler Kaiserjäger im Weltkriege 1914 - 1918

— 566 — 
Als Zu- oder Abgangswege standen nur die drei bereits genannten Saum- 
Wege zur Verfügung, die im Zickzack in engen Schluchten, steil und steinig, eine 
Höhendifferenz von 1000 Metern zu überwinden hatten. 
Es war sicher anzunehmen, daß enorme Verluste eintreten mußten, wenn 
die Italiener den Abmarsch wahrgenommen und die oberen Einstiegpunkte dieser 
drei Wege unter Feuer genommen hätten. Die im Marsche befindlichen Kolonnen 
wären ohne Möglichkeit, auszuweichen, nicht nur dem italienischen Artillerie- 
seuer, sondern auch dem hiedurch verursachten Steinschlag schutzlos ausgesetzt 
gewesen. Nach dem Abmärsche aus der Stellung lag auf der verlassenen Stel- 
lung und dem angrenzenden Raum dahinter nur schwaches Artilleriefeuer. 
Die einzige für den Regimentsabschnitt vorhandene Seilbahn über den 
Blitz -'Weg konnte in der kurzen Zeit nur die notwendigsten Materialtransporte 
und den Krankenabschub aus der chirurgischen Station Laghetto durchführen. 
Bereits um den 20. Oktober mußte mit Rücksicht auf einen durch den bevor- 
stehenden Angriff der Italiener zu erwartenden Verwundetenandrang diese Hilfs- 
statten soweit entleert werden, daß nur die nichttransportablen Kranken zurück- 
blieben; sie war aber infolge eintretender Grippeerkrankungen bald wieder über- 
füllt. Vor dem Abmarsch des Regiments konnten immerhin noch alle transport- 
fähigen Kranken mittels Seilbahn nach F o l g a r i a abgeschoben werden; nur 17 
wegen hohen Fiebers nichttransportable, schwer an Grippe Erkrankte mußten zu- 
rückgelassen werden. Ihnen gab, als die erste Linie geräumt wurde, der Regiments- 
chefarzt Regimentsarzt Dr. S t i a ß n y zwei Krankenwärter bei, welche sie zu 
besorgen und den italienischen Truppen zu übergeben hatten. Als am 2. Nov. 
um 8 Uhr früh die italienischen Patrouillen in Sicht kamen, wollten die meisten 
der Schwerkranken nicht in Gefangenschaft geraten. Bis auf drei standen die 
übrigen trotz des hohen Fiebers auf, machten den für sie äußerst beschwerlichen 
Aufstieg über den Laghetto - Weg und rückten dem Regiments nach. Trotz 
der bewunderungswürdigen Energie entrannen sie leider nicht ihrem Schicksale, 
da sie am nächsten Tage beim weiteren Vormarsch der Italiener mit dem 
gesamten Reservespital in F o l g a r i a in Gefangenschaft gerieten. 
Dadurch, daß die Stellung in vollster Ruhe und Ordnung verlassen worden 
war, blieb die Räumung den Italienern bis in den Morgenstunden vollkommen 
unbekannt. Ihre in den Frühstunden auftauchenden Patrouillen waren wahr- 
scheinlich nur deshalb vorgetrieben worden, weil ihnen die Räumung anderer 
Stellungsteile bekannt geworden war. Italienische Offiziere sagten später aus, 
daß sie die österreichischen telefonischen Befehle zur Räumung der Stellung mit 
den AbHorchapparaten abgehört hätten. Umsoweniger ist es erklärlich, daß die 
Italiener bei ihren schon längst bekannten Angrisssabsichten auch in den nächsten 
Tagen nur zögernd bis zur zweiten Linie nachfolgten und erst, nachdem eigener- 
seits die Waffenstillstandbedingungen angenommen worden waren, mit beson¬ 
derem Schwünge vorwärts drängten. 
So diszipliniert und ruhig die Loslösung vom Feinde an der Front vor 
sich ging, umso größer war die Unruhe und Unordnung bei den Etappen- 
abteilungen hinter der Front auf der Hochfläche, wo Mannschaften ent- 
gegen dem Befehle Baracken in Brand gesetzt hatten. Die auflodernden Feuer 
beleuchteten weithin die Marschlinie der zurückmarschiereudeu Truppen und zogen 
das italienische Artilleriefeuer auf sich. 
Die Spitzen der aufsteigenden Marschkolonne des Regimentes hatten um 
etwa 4 Uhr früh des 1. November den Rand der Hochfläche erreicht und kamen 
sofort iu den Streufeuerbereich des durch die brennenden Baracken ausgelösten 
italienischen Artilleriefeuers. Diese gefährliche Zone wurde vom Regiments jedoch 
glücklicherweise ohne Verluste passiert. Eine Stockung ergab sich erst beim 
M i l e g n a - Lager. Hier hatte sich im Laufe der letzten Kriegsjahre ein kleines 
Barackendorf gebildet, in welchem das 2. Kaiserjägerbrigadekommando Reserven,
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.