Volltext: Deutsche Offensive aus Ostpreussen über den Narew auf Siedlec (Ergänzungsheft 1)

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Schäfer 
bestanden. Über die Aufgaben des deutschen Heeres einerseits, des 
österreichisch-ungarischen andererseits war aber versucht worden, durch 
Meinungsaustausch zwischen den beiden Ger eralstabschefs Klarheit zu 
schaffen. 
Anläßlich der Annexionskrise hatte Gen. v. Conrad am 1. Jänner 
1909 bei Gen. v. Moltke angefragt1), ob Deutschland, wenn es zum 
Kriege gegen Rußland und Frankreich komme, „mit entsprechend star¬ 
ken Kräften auf beiden Seiten gleichzeitig wirksam werden könnte, oder 
ob es den Hauptschlag zuerst gegen den einen,, dann gegen den anderen 
Gegner führen würde, sowie gegen welchen der beiden zuerst", denn 
das sei auch für das Verhalten des öst.-ung. Heeres ausschlaggebend. 
Conrad wollte sich je nachdem zuerst mit ganzer Kraft gegen Serbien 
wenden und dann erst „im Verein mit deutschen Hauptkräften" gegen 
Rußland — oder aber von Haus aus den entscheidenden Schlag gegen 
Rußland führen. In ersterem Falle dachte er 30 Divisionen2) in Ost- 
galizien zu versammeln. Es sei dabei „außer von dem Kalkül über die 
russischen Maßnahmen ganz besonders auch von dem deutscherseits ge¬ 
planten Verhalten abhängig, wo die Versammlung der 30 Divisionen zu 
erfolgen und wann die Offensive zu beginnen habe". 
Moltke antwortete am 21. Jänner3): „Ich glaube mich mit den An¬ 
sichten Eurer Exzellenz im Einklang zu befinden, wenn ich gemäß 
unseren Grundsätzen eine planmäßige Teilung der deutschen Kräfte 
gegen Frankreich und Rußland bei Beginn des Krieges für einen schwe¬ 
ren Fehler halte." Bei einem Zweifrontenkrieg könne er seinem Kaiser 
nur vorschlagen, „unter Belassung der nötigsten zur Deckung unserer 
östlichen Provinzen erforderlichen Kräfte die Hauptmasse der deutschen 
Streitmacht zunächst gegen Frankreich einzusetzen". Hier erwartete 
Moltke eine Entscheidung „kurze Zeit nach beendetem Aufmarsch", 
und es sei „begründete Aussicht vorhanden, daß Deutschland, wenn ihm 
der Sieg beschieden sein sollte, in nicht zu langer Zeit starke Heeres¬ 
teile zur nachhaltigen unmittelbaren Unterstützung" seines Bundesge¬ 
nossen bereit haben werde. Der Abtransport zur Ostgrenze sei vorbe¬ 
reitet und vollziehe sich von den Einladeorten aus in wenigen Tagen. 
Moltke hatte aber auch nachgerechnet, wie stark die Russen an der 
österreichischen Grenze zunächst sein würden, und war dabei — wie er 
auf dem Briefe Conrads als Randbemerkung niedergeschrieben hat — 
x) Conrad, I, S. 631 ff. 
2) Kavalleriedivisionen sind durchwegs außer Betracht gelassen. 
3) Conrad, I, S. 379 ff.
	        
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