Volltext: Das Kriegsjahr 1918 ; 7. Das Kriegsjahr 1918 ; [Textbd.] ; (7. Das Kriegsjahr 1918 ; [Textbd.] ;)

Abkehr der Völkerschaften von der Donaumonarchie 
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gleich mit dem inneren Zusammenbruch Rußlands der letzte Muschik aus 
den Karpatbentälern vollends hinter die Reichsgrenze zurückgewichen 
war, hätte es in zeitlicher Übereinstimmung fast den Anschein, als soll¬ 
ten damit ¡auch die Völker des Donauraumes ihre alte, nicht zuletzt ¡aus 
dem Verteidigungswillen geborene Gemeinschaft für unnötig und daher 
als erloschen betrachten. Von den slawischen Nationen machten die 
Tscbechen durch die Dreikönigsdeklaration (6. Jänner 1918) in der vol¬ 
len Abkehr von Reich und Herrscherhaus den Anfang; sie verlangten 
für sich und die Slowaken uneingeschränkte Selbständigkeit, wobei aller¬ 
dings der Widerhall im slowakischen Stamme fürs erste noch recht 
gering war. Bei den Südslawen gewann vom Herbst 1917 an die den Pakt 
von Kor fu (Bd. VI, S. 420) tragende Idee einer bundesstaatlichen Ver¬ 
einigung der Serben, Kroaten und Slowenen zusehends stärker an Boden. 
Um sich wenigstens die Zuneigung der Polen nicht völlig zu verscherzen, 
war die Wiener Regierung im Laufe des Jahres 1917 in Berlin und 
Kreuznach nachdrücklich für den Ausbau der polnischen Staatlichkeit 
eingefaxten. Im Sommer war es zwischen der deutschen Verwaltung in 
Warschau und dem polnischen Hilfskorps in der Eidfrage zu schweren 
Zerwürfnissen gekommen, die zur Internierung des Polenführers Pilsudski 
in Magdeburg führten. Vor allem ¡auf Drängen Wiens wurden im Ok¬ 
tober zu Warschau ein Regentschaftsrat und ein Ministerium mit be¬ 
schränktem Wirkungskreise eingesetzt. Dennoch vermochten sich selbst 
die noch durchaus österreichfreundlichen Konservativen in Galicien 
immer weniger der Erkenntnis zu verschließen, daß ihre Nation seit dem 
Niederbruche Rußlands durch einen Sieg der Mittelmächte nur mehr zu 
verlieren hätte. Wohl traten sie nach der Jahreswende noch immer für 
eine Übertragung der polnischen Krone an Karl von Österreich ein. 
Aber Ludendorffs Bestreben, sogar Kongreßpolen noch gründlich zu 
beschneiden, mußte die Zugkraft eines solchen Planes außerordentlich 
verringern. 
Von den Österreich-Ungarn betreffenden Forderungen Wilsons er¬ 
heischte der Punkt 10 — wie man aus seiner Entstehungsgeschichte weiß — 
nicht die Zertrümmerung des Habsburgerreiches, sondern nur dessen 
weitgehende Föderalisierung; trotzdem wirkte auch er zersetzend. Selbst 
die Magyaren, deren internationale Geltung mit dem Schicksal der 
Donaumonarchie so eng verknüpft war, wendeten sich von dieser, seit 
der Russendruck fehlte, immer mehr ab. Proletarische Elemente ver¬ 
einigten sich mit der um den Grafen Michael Károlyi gescharten unzu¬ 
friedenen Intelligenz zu einem täglich stärker fühlbaren Widerstand
	        
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