Die Besprechung in Oppeln
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fortgesetzt werden müsse1). Tags darauf teilte in Teschen der deutsche
bevollmächtigte General v. Freytag-Loríxighoven dem k.u.k. Chef des Ge¬
neralstabes mit, Falkenhayn schlage eine Zusammenkunft vor, um die
weiteren Ziele zu vereinbaren, „der Winter käme immer näher, wir werden
nicht ewig kämpfen"2). Am 19. trafen sich die beiden Generalstabschefs
auf dem Bahnhofe in Oppeln3).
Gleich zu Beginn des Gespräches zeigte sich der Gegensatz der An¬
schauungen über die Führung des Krieges im Osten. Daher konnte auch
die Frage, was zu unternehmen sei, wenn die Russen den Weichselbogen
und Galizien bis zum San räumen sollten, keiner befriedigenden Lösung
zugeführt werden. Nach Falkenhayns Ansicht hätte man sich in diesem
Falle damit zu begnügen gehabt, auf dem linken Weichselufer in Polen
eine „chinesische Mauer" aufzurichten, an der jeder feindliche Vorstoß
zerschellen würde. War man einmal so weit, dann wollte der General
ehestmöglich starke Kräfte vom deutschen Ostheere abziehen und mit
diesen Verstärkungen Anfang Februar zu einer entscheidenden Offensive
in Frankreich schreiten.
Das widersprach den Gedankengängen Conrads; er beharrte darauf,
daß der Russe durch umfassenden Angriff beider Flügel geschlagen
werden müsse, sei es westlich oder östlich von der Weichsel. Im zweiten
Falle wäre die Hauptkraft des deutschen Ostheeres über den Narew auf
Siedlec vorzuführen, wie dies schon für den Kriegsbeginn, leider ver¬
geblich, geplant gewesen sei. Die Möglichkeit sei vorhanden, die Russen
niederzuwerfen. Gelänge dies, dann würde auch Frankreich zusammen¬
brechen und der Balkan ohne seinen zaristischen Beschützer zur Ohn¬
macht verurteilt sein.
Falkenhayn teilte diese Auffassung nicht. Die Russen könnten sich,
meinte er, durch Zurückweichen einem Schlage stets entziehen; dann
käme es weder im Osten noch im Westen zu einer günstigen Entschei¬
dung. Übrigens werde der Widerstand der Franzosen durch die Briten
gesteift. Die vorgeschlagene Operation über Siedlec erfordere ansehn¬
liche Kräfte, weil auch die russische 10. Armee in Ostpreußen abgehalten
werden müsse. Wie stünde es unterdessen im Westen? Würde dort die
deutsche Front durchbrochen, so nützten alle Siege gegen Rußland nichts.
Überhaupt hänge die ganze weitere Beschlußfassung auch von dem Zu-
x) R e i c h s a r c h i v, VI, 310.
2) ConradJ, 809 und 817 ff.
3) In ihrer Begleitung befanden sich GLt. v. Freytag-Loringhoven, der deutsche Obst.
Tappen (Chef der Operationsabteilung der DOHL.) und der k. u. k. Obstlt. Kundmann.