Entschluß zur Zurücknahme der russischen Heeresmitte
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Eindruck eines nicht unbedenklichen Rückschlages; aber sie sagte sich
schließlich mit Recht, daß die 4. Armee gegenüber dem bevorstehenden
Hauptstoße Mackensens eine Winkelriedrolle übernommen haben mochte.
Auch die DOHL. urteilte am 9. Juli, es werde sich „vielleicht später als
nützlich erweisen", daß der Feind so starke Kräfte gegen die 4. Armee
angesetzt habe.
Ließen schon diese Hoffnungen die Dinge in einem wesentlich gün¬
stigeren Lichte erscheinen, so hatte die Schlacht bei Krasnik aber noch
ein Ergebnis, dessen Größe damals im Lager der Verbündeten niemand
zu ahnen vermochte. Sie hatte in ihrem Auftakt erheblichen Anteil
daran, daß die oberste Führung der Russen zu Entschlüssen von großer
Tragweite genötigt wurde.
Die großen Führerentschlüsse in der ersten Julihälfte
Die Niederlage des XV., des IX. und des X. Korps der russischeil
3. Armee in den Kämpfen nördlich von Krasnik und an der Zolkiewka,
durch die die Widerstandskraft dieser Armee erschüttert wurde, war der
Anlaß für entscheidende Maßnahmen, die der Oberbefehlshaber der russi¬
schen Nordwestfront, Gen. Alexejew, am 4. Juli getroffen hatte. Sie be¬
zweckten einerseits eine Verstärkung der 3. und der 13. Armee, um sie
zum Widerstand gegen einen auf sie gerichteten Hauptangriff der Ver¬
bündeten zu befähigen, dann aber auch die Bereitstellung von Verfü¬
gungstruppen, die im Räume Bjelostok—Osowiec rasch zur Abwehr eines
über den Narew geführten deutschen Vorstoßes, der der Gesamtlage
nach nicht unwahrscheinlich erschien, vereinigt werden konnten1).
Da in den bisherigen äußerst verlustreichen Kämpfen 2) alle Heeres¬
reserven aufgebraucht worden waren, sollten solche durch Zurücknahme
und Frontverkürzung der 12., der 1., der 2. und der 4. Armee gewonnen
werden. Im einzelnen bestimmte Alexejew, daß der rechte Flügel der
12. Armee und die 1. Armee zu einem von den beiden Armeeführernein-
vernehmlich festzusetzenden Zeitpunkt in die Linie Krasnosielc—Ciecha-
now—Plonsk zurückzugehen hätten, bei Ausscheidung je einer Division
als Reserve südlich von Osowiec und bei Rozan. Die durch Festungs¬
artillerie zu verstärkende 2. Armee sollte in der Nacht zum 7. Juli in die
!) Nesnamow, IV, 70ff.
2) Die unter öst.-ung. Oberbefehl an der Ostfront kämpfenden verbündeten
Armeen hatten im Mai und Juni von den Russen 1400 Offiziere und 460.000 Mann
als Gefangene, dann 344 Geschütze und 940 Maschinengewehre als Beute eingebracht.
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