Volltext: Vom Ausklang der Schlacht bei Limanowa-Łapanów bis zur Einnahme von Brest-Litowsk 2 : Das Kriegsjahr 1915 1 [Textbd.] (2 : Das Kriegsjahr 1915 ; 1 ; [Textbd.] ;)

Conrads Schreiben vom 23. Mai an Falkenhayn 
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ten kann. Wenn dieses Stadium auch erst nach zirka vier Wochen, etwa 
an der Draulinie Marburg—Klagenfurt eintreten sollte, so ist der Weg 
von dort nach Wien 250 km, das sind vier Wochen. Dann wäre die Mon¬ 
archie wehrlos, wenn nicht innerhalb der Frist so starke Kräfte von 
anderen Kriegsschauplätzen kommen, daß das italienische Heer zurück¬ 
geschlagen werden kann Dieser Gefahr klar ins Auge zu sehen und 
ihr mit aller gemeinsamen Kraft zu begegnen, ist nunmehr unsere ernste 
Pflicht.. 
Zu diesen von Italien unmittelbar drohenden Gefahren träte, führt 
Conrad des weiteren aus, noch die schmerzliche Gewißheit, daß Ru¬ 
mänien bei einem großen Erfolg der Italiener zweifellos auch nicht ab¬ 
seits bleiben würde. Wohl sei Deutschland durch die Ereignisse und Mög¬ 
lichkeiten nicht unmittelbar betroffen, aber die rein militärischen Folgen 
einer solchen Entwicklung würden für das Reich nicht weniger eine Kata¬ 
strophe bedeuten als für Österreich-Ungarn. Sicherlich müsse mit Rußland 
soweit als möglich abgerechnet werden. Aber das Maß hiefür sei be¬ 
grenzt, man dürfe Italien nicht Gebiete überlassen, deren Verlust die 
Monarchie in ihrem Lebensnerv treffe und ihr eine weitere Kriegfüh¬ 
rung unmöglich mache. Dieser Fall träte ein, wenn das italienische Heer 
die Save und die Drau überschreite, während beispielsweise eine vor¬ 
übergehende Preisgabe Ostpreußens östlich der unteren Weichsel für die 
Gesamtlage nicht ausschlaggebend wäre. Aus all diesen Gründen müsse 
auch der Gedanke, Serbien anzugreifen, in die zweite Linie rücken. Die 
Absicht, den Italienern einen ausgesprochenen Schlag zu versetzen, dürfe 
nie und nimmer fallen gelassen werden, weil bei dem italienischen Wesen 
ein solches Unternehmen von kriegsentscheidender Bedeutung werden 
könne x). 
Die bei diesen Besorgnissen begreifliche Ungeduld Conrads, endlich 
den ersehnten Erfolg bei Przemysl ausreifen zu sehen, sprach sich in 
den Befehlen aus, die von der k. u. k. Heeresleitung in diesen Tagen 
seelischer Bedrängnis an die in Mittelgalizien kämpfenden Armeen 
ausgegeben wurden. Verrieten allgemeine, vom Chef des Generalstabes 
eigenhändig entworfene Erinnerungen an zweckmäßiges Kampfverfah¬ 
ren Unzufriedenheit mit dem bisher Erreichten, so hatte man den kurzer 
*■) Der Meinung, daß es bei der Psyche des Italieners und der geringen Volks¬ 
tümlichkeit des Krieges bei der Nation nicht ausgeschlossen sei, den neuen Feind durch 
einen auch nur kurzen Schlag wieder zum Ausscheiden aus der Front der Entente zu 
veranlassen, hatte Conrad in diesen Tagen des öfteren Ausdruck verliehen. Er er¬ 
innerte dabei an die Erfahrungen in den Kriegen Radetzkys.
	        
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