Volltext: Oberösterreich im Weltkrieg

Bischof Johannes Maria. 
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dem braven Landvolk Pflichtvergessenheit vorzuwerfen, während sich 
Kapitalisten über die Grundsätze von Ehrlichkeit und Gerechtigkeit 
skrupellos hinwegsetzen. Es zeugt endlich von wenig Verständnis für 
die gesellschaftlichen Interessen, Land und Staat gegeneinander aus¬ 
zuspielen, anstatt für ein einträchtiges Zusammenwirken beider zu 
sorgen. Immerhin ist es richtig, daß die behördlichen Maßnahmen in 
erster Linie die bäuerliche Bevölkerung betreffen, und es soll nicht 
verkannt werden, daß von der opferwilligen und treuen Beobachtung 
dieser Vorschriften die hinreichende Verproviantierung des Landes und 
besonders der Städte bedingt ist. Als Euer wohlmeinender Bischof bitte 
ich daher sämtliche Kreise der bäuerlichen Bevölkerung, die staatlichen 
Verordnungen als bestgemeinte und notwendige Maßnahmen 
zu betrachten, insbesondere aber die behördlich beanspruchten 
Ablieferungen an landwirtschaftlichen Produkten nach Vorschrift 
zu leisten. Es soll nicht im geringsten verübelt werden, wenn es der 
Bauer schwer empfindet, daß sein Getreide, das er mit eigener Hand 
gebaut, daß seine Feld- und Ackerfrüchte, die er mit vielem Aufwand 
von Zeit und Mühe herangezogen, daß seine Erträgnisse an Milch, 
Butter und Eiern u. a. von der Behörde beansprucht werden. Allein bei 
ruhiger Ueberlegung wird es der Landmann begreiflich finden, daß die 
Behörden verpflichtet sind, für die hinreichende Verpflegung sämtlicher 
bedürftiger Kreise Vorsorge zu treffen, insbesondere in den Städten, 
wo naturgemäß die Not am größten ist und noch zuzunehmen droht. 
Ich will gewiß nicht in Abrede stellen, daß auch bei Euch auf dem 
Lande schon eine gewisse Knappheit der Lebensmittel sich einzustellen 
beginnt, ja hie und da ein fühlbarer Mangel eingetreten ist; aber seid 
überzeugt, teure christliche Landleute, in den größeren Städten 
herrscht eine unverhältnismäßig größere Not an den not¬ 
wendigsten Lebensmitteln; das Herz des Bischofs blutet, wenn er durch 
persönlichen Augenschein, durch mündliche Berichte, durch schriftliche 
Schilderungen vom Elend in städtischen Familien erfährt, Ich richte 
darum im Namen der hungernden Armen in Linz-Urfahr die herzinnige 
Bitte an die brave christliche Landbevölkerung, namentlich die behördlich 
beanspruchte Milch in opferwilliger und gewissenhafter 
Weise zu liefern. Euer Bischof dankt Euch von ganzem Herzen 
für diese Eure Bereitwilligkeit und gibt sich der frohen Hoffnung hin, 
daß dieser sein Bittruf an den Patriotismus, an das gute Herz und vor 
allem an den christlichen Sinn des Landvolkes von reichem Erfolg 
begleitet sein wird. 
Möchtet Ihr nicht, soweit es Euch die Verhältnisse gestatten, 
durch Euren Bischof dem ärmsten, notleidenden Teile der Be¬ 
völkerung von Linz und Urfahr eine einmalige frei¬ 
willige Liebesgabe als christliche Weihnachtsspende 
zukommen lassen? Ich bitte um einige der notwendigsten Lebensmittel,
	        
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