Volltext: Das oberösterreichische Landesarchiv im Bilde der Entwicklung des heimatlichen Schriftwesens

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Wie schon diese wenigen Privilegien den Verlauf dieser Entwicklung ver 
anschaulichen,, so reden. der Beginn des Aktenmaterials im Jahre 1503 und dessen 
regelmäßiges Fortschreiten »eine noch vernehmlichere Sprache, die geeignet er 
scheint, eine bis jetzt noch dunkle Frage doch einigermaßen aufzuhellen. Der Linzer 
Landtag des Jahres 1503 ist das erste Zeugnis der errungenen Selbständigkeit 
unserer Landschaft als einer von jener von Oesterreich unter der Enns getrennten 
Körperschaft. 
Dieser Wandel, der scheinbar unvermittelt in Erscheinung tritt, ist die Frucht 
der Verwaltungsreformen Maximilians I. Wie die Bestellung eines eigenen Vize 
doms für die staatliche Finanzverwaltung des Landes im Jahre 1498 45 diese Ent 
wicklung vorbereitete, so erscheint die im Jahre 1502 beendigte Errichtung des 
Regiments für die niederösterreichischen Länder — es waren dies die fünf alten 
Erblande Oesterreich unter und ob der Enns, Steiermark, Kärnten und Krain, von 
denen die drei letztgenannten allein auch als Innerösterreich bezeichnet wurden -r- 
mit dem Sitze in Enns und Linz 46 als deren Abschluß. Es ist daher durchaus kein 
Zufall, wenn die Akten unseres ständischen Archivs sowohl im Einlauf (Originale) 
als auch im Auslauf (Konzepte) beinahe in demselben Zeitpunkte beginnen, sondern 
gerade dieser Umstand wie der gleichzeitige Beginn des Prälatenstandesarchi^s 
in Kremsmünster 47 sind vielmehr ein Beweis für deren verhältnismäßig vollständige 
Erhaltung. Die von Rudolf IV. erfundene „marchia supra Anesum“ schwebte wohl 
Maximilian vor, als er für Oesterreich ob der Enns seit dem Jahre 1505 die Be 
zeichnung „Markgrafschaft“ anstatt der früheren, schon von seinem Vater ge 
brauchten Titulatur „Fürstentum“ einführen wollte 48 ; und auf die gleiche gefälschte 
Urkunde konnten sich unsere Stände mit dem Einwand berufen, daß von Kaiser 
Friedrich I. das Land ob der Enns mit dem unter der Enns zusammen den Titel 
eines Herzogtums erhalten hätte 49 . Nach ihrer Anschauung waren Oesterreich ob 
und unter der Enns wohl zwei verschiedene Landschaften, jedoch nur ein einziges. 
Erzherzogtum 50 . Wohl gab der Kaiser nach,, nicht aber die innerösterreichischen 
Länder, da unsere Stände mit ihrer Auslegung den Vortritt vor Steiermark, Kärnten 
und Krain in der Rangordnung beanspruchten. 
Dieser Präzedenzstreit hat über ein Jahrhundert die ständischen Gemüter 
nicht zur Ruhe kommen lassen; freilich wurde er bald weit übertönt von dem 
gemeinsamen, durch die Glaubensspaltung verstärkten Kampf der protestantischen 
Landschaften gegen das katholisch gebliebene Landesfürstentum. Tn den fortwähren 
den, zeitweise mit - größter Leidenschaft geführten Auseinandersetzungen bedurfte 
man ^ gar sehr der historischen Grundlage : die ständischen Privilegien waren der 
Angelpunkt, um welche sich die gegenseitigen Kontroversen bewegten. Wie nun 
die mit ihren Sympathien auf Seite der Steiermark stehenden Stände von Oester 
reich unter der Erins der Landschaft ob der Enns trotz wiederholten Ersuchens 
45 Adler S., Die Organisation der Centralverwaltung unter Maximilian J. S. 204, 209 f.; 
vgl. Preuenhuber S. 435. 
46 Adler S. 229 u. 245; vgl. noch Huber-Redlich, Geschichte Oesterreichs 6, S. 4 u. 8 
Anm. 2. 
47 Pösinger, Das Stiftsarchiv Kremsmünster S. 30; auch hier ist die Anfangsgrenze 
der Akten des Prälatenstandes das Jahr 1503. , 
48 Chmel J., Materialien zur österr. Geschichte 1, S. 222; Nagl A., Der Innsbrucker 
Generallandtag vom Jahre 1518, Jahrbuch für Landeskunde von Niederösterreich, N. F. 17. u. 
18. Jahrg., S. 19 f. < 
49 Diese Urkunde* u. a: bei Schwind u. Dopsch,'Ausgewählte Urkunden zur Verfassungs- 
geschichte der deutsch-österr. Erblande im Mittelalter S. 11. 
50 Sehr klär tritt diese ihre Auffassung in der Instruktion für die Abgesandten zum 
Augsburger Tage (1525) hervor. : -Heyrenbädh Jv, 4 Anmerkungen über den Zustand der in der 
alten Registratur (zu Linz) befindlichen Schriften, Cod. 7928, f öl. 30 der National (Höf-) 
bibliothek in Wien. — r - •••' --v ‘ .. ...
	        
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