Volltext: Jahrbuch der Gesellschaft für die Geschichte des Protestantismus in Österreich 45. und 46. Jahrgang (45. und 46. Jahrgang / 1925)

60 
Steinigen, zum Fenster hinaushängen, durch die Spieße laufen lassen,' 
es kommt wirklich zur Ermordung von Pfarrern. 
In Schärding sollen (um 1560) Leute am Gstertage in der Rirche 
ein großes Faß Bier ausgesoffen und dem Pfarrer das paus ange 
zündet haben, weil er über die Auserstehung des Fleisches nicht evan 
gelisch predigen wollte (? !). 
bei den Übeltaten konnte es geschehen, daß der Frevler dem Feind 
zum Triumph verhalf. So nahm ein Banei ein Marienbild von der 
Linde, um es daheim Zu verbrennen. Cs blieb in den Flammen unver 
sehrt; er hing es wieder auf; nun wurde es auf dem Altar verehrt 
(1594). 
Die ungeheure Spannung löste wie bei uns nach dem Weltkrieg bei 
groß und klein eine Tänzwut aus, gegen die die Regierung immer 
wieder einschritt. Da tobten sich vor allem die jungen Burschen und die 
Oienstboten aus, über deren Ausgelassenheit und Widerspenstigkeit viel 
geklagt und verfügt wird. Trotz der Durchführung der Gegenrefor 
mation wurden sie wegen Wangels an Ersatz noch geduldet; dann 
dürfen keine ohne katholisch pfarramtliches Attest mehr aufgenommen 
werden und müssen beim geringsten verdacht emigrieren. 
Fe mehr die Gegenreformation sich auswirkte, desto mehr mußte 
bei den ihrer pirten Beraubten Gleichgiltigkeit, Unwissenheit und Aber 
glauben einreißen, so daß man den feindlichen Urteilen wohl glauben 
schenken kann: viele wissen nicht, was sie glauben oder was Reli 
gion sei. 
Einen, auch immer mehr zusammenbrechenden, Schutz dagegen boten 
denen, die lesen oder sich vorlesen lassen konnten, die evangelischen 
Bücher?°) Deshalb hielten die Eltern die Rinder zum Schulbesuch an, der 
gerade darum seitens der Gegner gern unterbunden wäre. Von Anfang 
an war der Buchhandel ein Pauptverbreitungsmittel des Luthertums in 
Österreich gewesen. Die heimischen und die auswärtigen Buch- (Land-) 
Führer aus Augsburg, Kegensburg, Nürnberg, Frankfurt a. w.. 
Leipzig, zogen im ganzen Land umher — bei einem fand man 434 
Stück — und hielten in Gewölben und polzhütten, an Gassenecken, an 
wänden und in winkeln der Straßen feil. Sie schickten Hausierer aufs 
Land und ließen von paus zu paus anbieten, darunter Schmach- Lieder 
und -Bilder gegen die katholische Religion, namentlich in Linz und 
Freistadt. Vas erste Oruckjahr in Gber-Dfterreich war 1615. ver erste 
evangelische Linzer Buchdrucker, paus Planck aus Nürnberg, mußte, 
wie fein Nachfolger, 1628 fort, obschon man sich herbeiließ, auch Patente 
zu drucken. 
varum zieht sich durch die ganze Gegenreformation die Fagd auf 
Bücher, die oft in den listigsten verstecken den Schnüfflern entzogen 
wurden, eine Bibliomanie, wie sie sonst den damaligen Rlerus nicht 
auszeichnete, pausen-, wagenweise wurden sie „dem Vulkan geopfert"; 
manche fanden doch in Rlosterbibliotheken eine Zuflucht. Die kosten 
lose Auswechslung gegen k. Ersatz blieb lange erfolglos. Dabei konnte 
es vorkommen, daß ein Ruckucksei ins k. Nest gelegt wurde. Auch 
hierin schuf erst Joseph II. Wandel, nachdem unermeßliche und un 
wiederbringliche geistige und dingliche Güter vernichtet waren. Aber 
weder sein Toleranzedikt noch das Protestantenpatent noch die Revo
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.