Volltext: Geschichte des Steirischen K. u. K. Infanterie-Regimentes Nr. 27 Band II (II. / 1937)

Tatsächlich war es nüchterner Überlegung entspringender, aber beherzter Ent¬ 
schluß eines Unterführers in vorderster Sturmlinie, waren es dessen Initiative und 
mitreißende Führerschneid, die in der entscheidungsvollen Stunde im Kampfe um 
die Nordbastion der felsumgürteten Burg die Angriffsburbel am Nordflügel in 
Schwung setzten. Oblt. i. d. R. Edtmayer, der kriegserprobte Führer der 6. Komp., 
war sich voll bewußt, daß man vor dem Entweder-Oder stand. Vor wenigen Minuten 
war er vom Aufklärerofsizier der GbKnBt. 4/8 — Oblt. i. d. R. Dr. Leopold 
Thomas, einem bekannten Aufklärerspezialisten, der seit 5. Juni bei 11/27 den 
Artilleriebeobachtungsdienst mit wahrer Besessenheit rühmenswert versah und mit 
Oblt. Edtmayers 6. Komp, bis an die äußerste Bewegungsgrenze mit beispiel¬ 
gebender Schneid vorgedrungen war — dahin unterrichtet worden, daß der größte 
Teil der verfügbaren Artilleriemunition bereits verschossen sei. Der noch erübrigende 
Munitionsrest müsse für eventuelle Rückschläge als Notreserve gehütet werden. Es 
könnten für heute nur mehr drei kurze Trommelfeuerschläge mit kurzen einge¬ 
schalteten Feuerpausen zugestanden werden. Wenn nachher der Melettahochkamm 
nicht gewonnen würde, wäre der ganze bisherige Angriff fruchtlos. 
Den vollen Ernst der hochgespannten Lage überblickend, ist Edtmayers Entschluß 
gefaßt. Er springt auf, durcheilt allein im raschen Laufe den besonders gefährdeten 
Raum, erreicht Herl die niederen Felsabstürze. Schon sind oberhalb die hellen Ein¬ 
schläge der Granaten hörbar. Thomas' Aufruf hat die Rohre der harrenden Gebirgs- 
batterie schlagartig ins Feuer gejagt. Scharf über die Köpfe rauschen die letzten 
stählernen Grüße zum Feind. Mit Heller Stimme ruft Edtmayer die 27er und die 
hier ihrer tapferen Unterführer schon beraubten Bosnier auf. Ohne Säumen preschen 
sie in Gruppen heran, Edtmayers und des wackeren Rifchners Leute und nicht 
minder die Fezträger. Mit klopfenden Pulsen werfen sie sich hinter die letzte 
schützende Felsrippe, sammeln Kraft für den entscheidungbringenden Anlauf, warten 
wenige Minuten, bis die Reserven aufgeschlossen. 
Alles — Sturmlinien wie Reserven — ist sprungbereit. Da blasen steirische und 
bosnische Hornisten das Sturmsignal. Die Sturmwoge brandet heran. Auch die 
8. Komp, ist in der ersten Linie aufgegangen, dabei aber der Anschluß nach rechts 
an die gleichfalls stürmenden Bosnier des I. Baons. abgerissen. Der ihr nach¬ 
folgenden halben 5. Komp. (3. und 4. Zug) ruft Hptm. Marius Schwarz zu: „Rechts 
halten!" 
In Kad. i. d. R. Hren, der sie führt, ersteht nunmehr der Vollstrecker des von 
Geistesgegenwart diktierten und von Hren blitzartig erfaßten Anrufes. Er reißt 
seine disziplinierten, willig folgenden Leute nach rechts gegen die wunde Nahtstelle, 
nimmt im blitzschnellen Hurraanlaus das letzte Stück Niemandslandes, steht auf 
der Hochkante. 
Zu gleicher Zeit — die letzten Vorgänge spielen sich im rasenden Filmtempo ab — 
schallt Hurraruf von links herüber. Dort hat Edtmayer die Alpini angefaßt. Oblt. i. 
d. R. Reichers Stahlbrausen und Lt. Bauers den Maschinengewehrnestern scharf 
zusetzende Infanteriegeschütze, deren Bedeckung ein Zug der 5. besorgte, wett¬ 
eifern, um noch vor Torschluß dem Feinde ein Feuerzeichen aufzusetzen. Immer 
nachhaltiger macht sich der von links kommende» nach rechts sich auswirkende Druck 
fühlbar. Der linke Außenflügel (6. Komp.) von Edtmayers sturmbegeisterter 
Angriffsgruppe, die die überraschend schwache Grabenbösatzung im kurzen Anhieb 
mit Bajonett und niedersausendem Kolben erledigt, schwenkt aus und faßt die 
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