Nach den von Mjr. Righetti mit Oblt. Bayersheimer, dem Führer des halben
I./IR. 11, getroffenen Vereinbarungen hatten sich die 11er bem Angriffe der 27er
rechts anzuschließen.
„Vorher wurde noch in Eile abgekocht", berichtet unser Kriegsfreiwilliger. „Da die Fahr¬
küchen wegen der Unwegsamkeit des Geländes schon seit vielen Tagen zurückgelassen werden
mußten, erfolgte das Abkochen in Kochkisten, von denen während des Marsches je zwei auf
den Rücken eines Tragtieres gepackt werden konnten. Das Essen — für so manchen von uns
das letzte — war, wie es schließlich nicht besser sein konnte bei dem blitzschnellen Vorgehen
unserer Kolonnen und bei den unsäglichen Schwierigkeiten für den Nachschub ausreichender
Lebensmittel in einer unwirtlichen Hochgebirgsgegend, durch die erst von besonderen, den
angreifenden Kampftruppen auf dem Fuße folgenden Arbeiterabteilungen halbwegs gangbare
Wege angelegt werden mußten. Jenes Essen bestand aus aufgewärmten Fleischkonserven und
einigen in sade schmeckendem Schneewasser halbgar gekochten Bohnen. So kärglich die Mahlzeit
auch gewesen sein mochte, sie verlieh den ermüdeten Körpern doch Spannkraft, Wärme und
Gelenkigkeit. Wie ganz unwahrscheinlich genügsam wird man doch da draußen im Felde!"
Kurz vor 12 Uhr mittags gab Mjr. Righetti den Angriffsbefehl. Die 14. Komp.,
Oblt. Czernay, und die 16. Komp., Hptm. Pfchorn, hatten die Feuerfront vorzu¬
tragen, von der 15. Komp., Hptm. Dettela, hinter der Mitte gefolgt. Der 13. Komp.,
Oblt. i. d. R. Rudolph, der MGA. IV unter Lt. Benno Poche, den Bataillons¬
pionieren unter Lt. i. d. R. Zechner, die in der Staffel links rückwärts der Angriffs-
front folgen sollten, war die Aufgabe des Flanken- und Rllckenfchutzes anvertraut.
Die Vorrückung wurde um 1.15 Uhr nachmittags angetreten. Die eigenen Batterien
donnerten schon seit 9 Uhr vormittags.
„Erst ging es", so schildert in zutreffender, höchst anschaulicher Weise unser unbekannter
Mitkämpfer den Angrisfsverlauf, „sorgfältig gegen Feindessicht gedeckt, den steilen Osthang
in das an jener Stelle schluchtartige Nostal hinab und dann in weitausgreifendem Bogen
den abschüssigen Mt. Cimon hinauf, um den Italiener von der bergsteigerisch minder
schwierigen Nordseite aus zu fassen. Mit der vollen Rüstung behängt und mit dem ansehn¬
lichen Gewicht von 150 Patronen belastet, keuchten wir ohne Weg den kräftezehrenden Steil¬
hang in der kürzesten Linie empor, stapften durch metertiefe Felder alten Schnees, kletterten
an senkrechten Felswänden vorbei, turnten über mannshohe Kalksteinblöcke hinweg, zwängten
uns durch hinderliches Untergebüsch und scharszähniges Dorngeranke, rutschten über glitschige
Moosflächen und überquerten stolpernd unsichere Geröllhalden. Von Zeit zu Zeit eine halb¬
unterdrückte Verwünschung des unseligen Berges und seines noch weit unseligeren Ver¬
teidigers, zwischendurch wohl auch ein sorgloses Scherzwort, hin und wieder ein mit
gedämpfter Stimme erteilter Befehl, sonst nur das schwere Atemholen überanstrengter
Lungen und das klirrende Scharren nägelbeschlagener Schuhe auf steinigem Boden.
Ich sehe mich nach den Leuten des mir folgenden, in eine dünne Plänklerkette auf¬
gelösten Zuges um, insoweit ich sie überhaupt in so zerklüftetem Gelände, zwischen wind¬
zerzausten Tannen, wildzackigen Felstrümmern und verworrenem Buschwerk zu überschauen
vermag: müde gebeugte Schultern, einknickende Knie, trotz der kühlen Höhenluft schwere
Schweißperlen auf Stirn und Wangen, doch entschlossen aufeinandergebissene Zähne, die
muskelharten Fäuste um das Gewehr gekrampft, das mir in dieser Stunde und in diesen
Fäusten weit mehr Keule denn Schußwaffe zu sein scheint, und die fiebernden Augen unver¬
wandt nach vorne gerichtet, als erwarteten sie mit jeder Sekunde dort irgendwo im tollen
Steingewirr auf der Höhe ein Ziel zu erblicken, ein schon seit vielen Tagen heiß ersehntes
Ziel — den Feind, dem es durch feine Tücke meisterlich gelungen war, die Kampsbegierde
in uns bis zur Leidenschaft zu entflammen.
Da plötzlich — es war mittlerweile 3.20 Uhr geworden — raffelt und prasselt es ringsum
wie von den Schloßen eines hochsommerlichen Hagelwetters. Aus kaum 300 Schritte Ent¬
fernung hatte der vorzüglich gedeckte Verteidiger des Mt. Cimon auf seiner ganzen Linie
ein rasendes Schnellfeuer auf uns eröffnet.
Augenblickslange stutzen die Angreifer, nicht etwa um Schutz vor den sie umschwirrenden
Geschoßgarben zu suchen, sondern einzig in dem glühenden Verlangen, doch endlich die nicht
zu erkennenden Schlupfwinkel des vorsichtigen Feindes ausfindig zu machen. Die schmerzen¬
den Knie strecken sich, die Schultern werden gestrafft, die Rüstung hat jedes Gewicht ver¬
loren, und mit einem Schlage ist alle bisherige Müdigkeit wie weggefegt. Irgendeiner von den
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