Volltext: Geschichte des Steirischen K. u. K. Infanterie-Regimentes Nr. 27 Band II (II. / 1937)

Aber dort erwartete uns eine ungeheure Überraschung. Ein Alpinioberleutnant hatte ein 
Maschinengewehr vor dem Graben gegen uns in Stellung gebracht. Sofort bei unserem 
Ansichtigwerden eröffnete er das Feuer. Ich befahl sofort Sturm auf das Maschinengewehr, 
Handgranaten werfen und rief: .Leute! Drauf los!' Der Kampf, der sich jetzt abspielte, war 
kurz und furchtbar. Gleich die erste Serie ritz den Mann weg, der mich rechts stützte, und 
während ich den Mann zu meiner Linken wegstietz und ihm zurief: .Decken!' — erhielt ich 
einen dumpfen Schlag auf das rechte Knie. Ich knickte mit dem rechten Fuh ein; in diesem 
Augenblicke muß sich der Maschinengewehrschütze verrissen haben, denn die Garbe schlug 
unmittelbar vor mir in einen Felsen ein, so daß die Funken daraus stoben. Eine unbeschreib¬ 
liche Furcht, im nächsten Moment die Garbe in den Bauch zu kriegen, erfaßte mich, und 
ich kam wieder auf beide Füße zu stehen, allerdings unbeweglich wie eine Zielscheibe. 
Ungefähr drei Schritte links von mir bot ein Felsen Deckung. So verlockend dies auch war, 
sch konnte mich nicht um einen Zentimeter von meinem Standort wegbewegen, die Füße 
waren gelähmt, und nur mehr das Knochengerüst hielt mich aufrecht. Von einem machtvollen 
Selbsterhaltungstrieb erfaßt, feuerte ich die Leute, die zu erlahmen drohten, in ununter¬ 
brochenen Zurufen zum Sturm auf das Maschinengewehr an, doch leider vergebens. Der 
Vernichtungswille des feuernden Gewehres war zu stark. Meine Leute unterlagen, und ich 
erhielt einen zweiten Schuß in die Kniescheibe, der mich hinwarf und mir das Knie zer¬ 
schmetterte. Drei oder vier meiner Leute versuchten, zu entkommen. Die Italiener schossen 
ihnen wie Hasen nach. Einen oder den anderen sah ich purzeln, dann war es aus. Der Kampf 
der Kompagnie war zu Ende." 
So hatte sich -das Schicksal der kleinen Heldenschar ersüllt. In Krubl aber, dem 
von eigenen Kameraden Totgesagten, lebte trotz seiner jammervollen Lage die 
felsenstarke Hoffnung, daß die Unseren kommen würden. Der Alpinioberleutnant, 
der ihn zum Krüppel geschossen, verband ihn und willfahrte seiner Bitte, ihn liegen¬ 
zulassen. So erlebte der Willensstärke den zweiten Longaraangriff am Abend des 
12. November, nachdem er wie durch ein Wunder vom Zerstörungsfeuer unserer 
Batterien verschont geblieben. Als in der Abenddämmerung ein ganzer Sturmzug 
von Kaiserjäger 2 auftauchte, da waren endlich Hoffnung und Wunsch erfüllt. 
Aber selbst in diesen Augenblicken galt sein Denken zuerst dem Feinde. Mit 
wenigen Worten werden die Kaiserjäger über den Italiener, der sich in den 
Kavernen verborgen hielt, aufgeklärt und die Kaverneneingänge mit der Hand 
bezeichnet. Im Nu sind sie dort. Der überraschte Italiener ergibt sich ohne 
Widerstand. 
So erlebte Krubl noch den endgültigen Fall des Mt. Longara. Sein ungebro¬ 
chener Wille, seine Lebensenergie, sein Soldatentum triumphierten über den erbar¬ 
mungswürdigen physischen Jammer. Die tapferen Tiroler vergalten ihrem Weg¬ 
weiser den unschätzbaren Dienst. Sie betteten ihn aus eine Tragbahre und trugen 
den Helden zu Tal. So hatte am Ende auch Kameradentreue gesiegt. 
Die 27er-Kontingente, die im Laufe der Nacht und bis zum Morgen des 
12. November vom Mt. Longara ins Nostal abgestiegen waren, sanken, körperlich 
erschöpft und auch seelisch erschüttert, im Cimbernwalde bei ihren am Vortage 
abgelegten Rucksäcken in bleiernen Schlaf. Mochte das weite, bis in die vortägige 
Ausgangslage reichende Absetzen allem Gesetz und auch allem 27er-Hevkommen auf 
den ersten Blick hin zuwiderlaufen — eine Erscheinung übrigens, die schon am 
10. November bei Angriffstruppen zweifelsohne als Auswirkung des überlangen 
Stellungskrieges zutage trat —, so lag vor allem in der Ermattungskrise die 
Ursache. So nutzten die Longarakämpfer die Vormittagsstunden zum Ordnen der 
stark aufgelockerten Verbände, zum Heranziehen der abgelegten Rüstungen, zur 
Versorgung mit Munition und Handgranaten und zu karger Rast, denn bald kam 
der Ruf nach vorwärts. 
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