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Die Argonnen die „Thermopylen Frankreichs".
Boden, der so viel deutsche Kraft und deutsche Art in sich aufgesogen
hatte, konnte uns nicht mehr als fremdes Land erscheinen!
Aber noch tiefer müssen wir forschen, um den letzten Grund jenes
rätselhaften Heimatgefühls zu entdecken: es ist die Eigenart der Land-
fchaft, die mit ihren bewaldeten Höhen, ihren verschwiegenen Tälern,
ihren murmelnden Bächen, ihren rauschenden Eichen und Buchen das
deutsche Herz gefangennimmt. Tief im Blute steckt uns Germanen die
Freude am Wakdleben. Wir lieben den Wald in seinem zu jeder Jahres-
zeit verschiedenen Kleide, im knospenden Frühling, im heißen Sommer,
in seinem bunten Herbstlaub und in seiner winterlichen Poesie. Das ist
es: Die Argonnen erinnern an die heimatlichen deutschen Wälder.
Und das ist kein Zufall: Die Ardennen und ihr südlicher Aus-
läufer, die Argonnen, bilden wie die Vogesen, der alte deutsche Wasgau,
ein Grenz- und Übergangsland mit denselben Naturformen, die auch
unsere westlichen deutschen Mittelgebirge aufweisen. Das eigentliche
„Frankreich" beginnt erst bei den kahlen Kalkhöhen und den Weinbergen
der Champagne.
Daß die Argonnen auch von den Franzosen unbewußt als Grenz-
laNd empfunden werden, beweist der Ausdruck, der in der französischen
Revolution für sie geprägt wurde: die „Thermopylen Frankreichs",
wo das Innere des Landes, der „geheiligte Boden Frankreichs" in
ähnlicher Weise verteidigt werden sollte, wie einst L e o n i d a s am
Engpaß der Thermopylen den Persern den Eintritt in das Innere
Griechenlands verwehrte.
Auf den Charakter der Argonnen als Übergangsland weift auch
ihre geschichtliche Entwicklung hin. Die Geschichte der Argonnen ist
sowohl zur Römerzeit, wie auch zur Zeit der fränkischen Kaiser, die ja
deutschen Stammes waren, aufs engste verknüpft gewesen mit der Ge-
schichte des westlichen Deutschlands. Gehörte doch bis zum Mittelalter
das Maasgebiet zum großen Teil dem deutschen Reiche an. Verdun
war, genau wie Metz, deutsche Bischofsstadt.
Als E ä f a r s Legionen Gallien unterjochten, rodeten und besiedelten
die Römer das unermeßliche Waldgebiet, das sich östlich der „Katalau-
nischen Felder" fast ohne Unterbrechung bis zum Rhein ausdehnte. Ihre
gewaltigen Straßenbauten, die „Römerstraßen", liefen schnurgerade
durch das ganze politisch und geographisch zusammenhängende Gebiet.
Reste davon sind noch heute erhalten, und jeder Argonnenkämpser kennt
die „Haute Chevauchee voie Romaine", die von Süden nach Norden den