Volltext: Was ist Bewusstsein?

Dennoch war auch im westlichen Denken als Unterströmung stets eine holistische Tradition vorhanden (von den Vorsokratikern über Plato, Bruno, Spinoza und Hegel bis zu Whitehead, und natürlich auch in mystischen religiösen Strömungen).566 Doch diese bezogen sich (mit Ausnahme Hegels) unmittelbar auf die Vorstellung von der Wirklichkeit als Gesamtes, ohne der Frage, welche Rolle die Konstitution des Subjekts selbst im Rahmen der (Vorstellung von der) Wirklichkeit spielt, von Grund auf nachzugehen. Auf dem Weg über die Quantentheorie entstand sogar eine Verbindung dieser Traditionen zur modernen Physik,567 die aber ebenfalls nicht dazu führte, die Erkenntnisvorstellung gemeinsam mit den Phänomenen in Frage zu stellen, sondern es bei Paradoxien beließ. Wenn ich vom 'westlichen Denken' gesprochen habe, so deshalb, weil es im 'östlichen Denken', insbesondere in den östlichen Religionen immer schon ein viel stärkeres Verständnis für die Unbeständigkeit und Vergänglichkeit alles konkreten Seienden gegeben hat, was das Vertrauen auf das 'Gegebene' nicht unbedingt stärkt, und vermutlich auch der Grund dafür ist, dass der forschende Drang, den Dingen auf den Grund zu gehen (im Sinne eines festen Fundaments, der Vorstellung von 'Bausteinen') weniger stark ausgeprägt war. Die Abfolge der Gestalten der Welt verweist im Rahmen der Lehre von der Reinkarnation von vornherein auf eine transzendentale Wurzel in früheren Ereignissen, ohne definitiven Anfang. Im Zen-Buddhismus, findet diese 'Substanzlosigkeit' des ontologischen Denkens ihren intellektuellen Ausdruck in Koans. Frage an den Mönch Joshu: 'Was ist mein Ich?' Joshu sagte: 'Hast du deine Frühstücksgrütze gegessen?' 'Ja, ich bin fertig.' 'Dann wasch deine Schüssel.'568 Schließen möchte ich mit einem Gedicht von Emily Dickinson: The brain is wider than the sky, For, put them side by side, The one the other will include With ease, and you beside. The brain is deeper than the sea, For, hold them, blue to blue, The one the other will absorb, As sponges, buckets do. The brain is just the weigth of God, For, lift them, pound for pound, And they will differ, if they do, As syllable from sound.569 566 Die einflussreiche platonische Tradition mit ihrer Verbindung des Glaubens an die Ewigkeit der Ideen (die an das pythagoräische Denken anknüpft) und der Vorstellung der Schattenhaftigkeit der Welt stellt natürlich ein spezielles Thema dar. 567 Gegeben hatte es diese Verbindung schon immer (man denke an Johannes Kepler) und auch Albert Einstein war bekanntermaßen vom Denken Spinozas beeinflusst. 568 Aus: Fromm, E., Suzuki, D.T. & Martino, R. de (1963), S. 43 569 Aus: Dickinson, Emily. The Complete Poems of Emily Dickinson. Boston: Little, Brown, 1924 175
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