Volltext: Was ist Bewusstsein?

darunter zu subsumieren. Der Anspruch der Allgemeingültigkeit von Naturgesetzen beruht deshalb nicht auf Induktion (Verallgemeinerung), sondern auf der Allgemeinheit der Konzepte. In Bezug auf die Frage nach der Wahrheit (verstanden als Übereinstimmung mit der Realität) ist von vornherein klar, dass das metaphysische Kriterium der Übereinstimmung im begrifflichen Sinn keinen Sinn macht (es wäre so trivial, wie die Bestimmung der Dinge als 'res extensa' in metaphysischer Auffassung erscheint). Das Kriterium besteht vielmehr in dem damit verbundenen Anspruch der Substituierbarkeit der Dinge durch die betreffenden Konzepte, also im Erklärungsanspruch, und zwar aufgrund des Nachweises exakter Relationen durch Experimente, deren Setting daher genau auf das Ziel des Nachweises abgestimmt sein muss. An diesem Erfolg 'bemisst' sich die Angemessenheit der Konzepte. In diesem Sinne handelt es sich bei der physikalischen Erkenntnis eben um Forschung, also um Erkenntnis auf der Basis von Annahmen, die sich bestätigen können oder auch nicht. Der Holismus liegt in diesem Fall auf der Seite der Konzepte, ihrer Funktion und ihrem Anspruch, der nur durch den 'experimentellen' Nachweis der Subsumierbarkeit der Phänomene unter die Konzepte gerechtfertigt werden kann. Die Konzepte selbst werden im Experiment auf den Prüfstand gestellt, was im Sinne eines schrittweisen Vorgehens natürlich auch immer wieder zur Adaptierung der Konzepte und zur Bildung neuer Konzepte führt. Der von Descartes mit seinem Konzept der 'res extensa' erstmals formulierte transzendentale Anspruch der 'Zurückführung' impliziert dabei zugleich auch die Subsumierung von Konzepten unter andere Konzepte, den Aufstieg zu immer höherer Allgemeinheit, der schließlich, wie dargestellt, in einen 'Minimal-Holismus' mündet, bzw. münden könnte (vorbehaltlich seiner Bestätigung bzw. Bewährung).558 Nun impliziert ein solcher transzendentaler Erkenntniszugang, dessen Ziel nicht in Kategorisierung, sondern in Rückführung besteht, dass er 'Dinge' grundsätzlich (vorderhand) als Phänomene (oder Erscheinungen) qualifiziert, d.h. als Wirkungen von etwas 'Dahinterliegendem'. Descartes selbst hat die Kategorisierung von 'res extensa' und 'res cogitans' (die 'summa genera') noch einmal 'metaphysisch' transzendiert, mit Bezug auf seine Gottesidee, sie also nicht als letztgültig stehen lassen. Aus diesem Grund ist der Erklärungsanspruch der physikalischen Konzepte ein zumindest tendenziell universaler, ihre Konzepte bieten sich grundsätzlich als universaler Deutungshorizont an.559 Nun ist die mögliche Einbeziehung des Phänomens Bewusstsein in den Deutungshorizont der physikalischen Konzepte mit dem Problem konfrontiert, dass diese Konzepte als solche selbst ja Bewusstseinsstatus haben, ein Produkt des Bewusstseins sind.560 Insofern ist die 'res cogitans', das Bewusstsein, nicht ein bloßes Phänomen unter anderen, sondern zugleich das Medium der Phänomene (und auch der Theorien über die Phänomene). Es kann m.a.W. nicht wie die üblichen physikalischen Phänomene als 'singulärer' (experimentell stets in gleicher Weise reproduzierbarer) Vorgang aufgefasst werden, weil seine Erklärung schließlich auch die Genese der physikalischen Theorie selbst mit einbeziehen muss (und zwar in der historischen Dimension ihrer Entwicklung). 558 Der sich, wie wir gesehen haben, interessanterweise mit dem Gedanken des 'absolut Allgemeinen' der Metaphysik trifft, die aber auf einem ganz anderen Weg, den Weg der Dialektik der Begriffe (diese im Sinne des Universalienrealismus aufgefasst) dorthin gelangt (siehe auch Descartes' Transzendierung der beiden 'summa genera', 'res cogitans' und 'res extensa'). Anton Zeilingers schon mehrfach zitierte These: „Information ist der fundamentale Baustein des Universums“ (Zeilinger, A. (2005), S. 73), spricht genau diesen Minimal-Holismus an. 559 Deutungshorizont insofern, als die Ausweitung des Geltungsanspruchs der physikalischen Konzepte über den engeren Bereich der Physik hinaus, zunächst (solange sie nicht in direktem Zusammenhang mit exakten experimentellen Nachweisen steht) nicht mehr als ein Deutungsangebot darstellt. 560 Sie können deshalb nicht für unmittelbare Realität genommen werden (auf 'einer' Stufe mit den scheinbar autonomen 'Dingen'), denn ihr Status ist ein transzendentaler. Die Missachtung dieses Unterschieds (schließlich sind wir es ja gewohnt, die Dinge unmittelbar so wahrzunehmen, wie sie sind, ganz unabhängig von uns) führt auch zur weit verbreiteten metaphysischen (Selbst-)Auffassung der Physik. Der Geltungsanspruch der physikalischen Konzepte beruht aber nicht auf Evidenz, sondern auf ihrem transzendentalen Status. Ihr 'Realitätsstatus' ist deshalb nicht an die Ontologie des Alltags oder der Metaphysik gebunden. 172
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.