Volltext: Heimatland Wort und Bild aus Oberösterreich Heft 5 1938 (Heft 5 / 1938)

mit sich selbst steigernder Wut. Er wollte den Wald 
für sich allein und ungestört die Stämme fällen und 
die Blöcher klieben und seine Kohlenmeiler anzünden. 
Er wollte nicht, daß Licht und. immer mehr Licht in 
das tiefe Dunkel gebracht werde und die alten Götter 
aus Baum und Stein und Flur und Fluß vertrieben 
würden. 
O, er wußte, er hatte Macht! Nicht viele waren 
es, die von dem furchtbaren Geheimnis des Waldes 
Kunde hatten; er aber kannte es, es war ihm ver— 
traut, ja, er, der schwarze Köhler, und er, der feuer— 
atmende Drache gehörten zusammen. Die Leute in der 
freien Landschaft draußen erzählten sich Schauer— 
geschichten; er aber, der schwarze Köhler, der diesen 
Leuten selbst zur unheimlichen Sagengestalt geworden 
war, kannte' den Drachen und so wie er sich vor dem 
Feuer seiner Meiler nicht fürchtete, fürchtete er sich 
auch vor dem geringelten Untier nicht. 
Darum stieg er auch — es war der Abend schon 
nahe und zwischen den dicken Stämmen lauerte be— 
reits das schauerliche Dunkel — furchtlos zur Höhe. 
Seine Fußspuren waren sein Steig, den er auch im 
tiefsten Dunkel nicht verfehlte, denn er fand durch die 
Wildnis, als sei sie ein gepflegter Garten. 
So kam er zur Höhe, wo die Felsen ragen. Er 
hörte das Schnauben, das wie Sturmwind zwischen 
den Felsen heulte; der Drache schnupperte in die Luft 
und hob lauschend den furchtbaren Schädel; als er 
aber den Pechstank des Köhlers roch und dessen schwere 
Schritte hörte, legte er den massigen Molchsschädel 
wieder faul zwischen die krallenbewehrten Schaufel— 
füße und blinzelte in die sinkende Sonne, die hier in 
der Felsenhöhe noch schönen Schein gab. 
Der Köhler bog um die Felsenecke. Da lag der 
Drache vor ihm. Jeder Mensch wäre entsetzt gewesen, 
so furchtbar war der Anblick, und hätte vor Grauen, 
Schrecken und Todesangst wohl keinen armen Laut 
von sich geben können. Denn furchtbar waren die 
Maße des Lintwurms; hätte jemals ein Braunbär 
gewagt, auf den plumpen Molchsschädel zu steigen, es 
hätte nicht anders ausgesehen, als wenn ihm selbst 
ein Eichhorn auf den Zottelkopf gehüpft wäre. 
Der Köhler aber sah das Ungeheuer schier freund— 
lich an und sprach sogar zu ihm, als könnte der Drache 
verstehenn 
„Schläfst du, Hüter der Wildnis? — Hörst du 
denn nicht, was im Tale geschieht?! Bäume fallen 
und der Wald soll gelichtet werden. Du hörst den Ton 
und regst dich nicht; du siehst das Licht und bewegst 
dich nicht?“ 1 
Da richtete sich der Molchsdrache auf und stand 
auf seinen wuchtigen Schenkeln wie ein festgegründeter 
Turm vor dem Köhler. Grauenhaft tropfte ihm hiebei 
der gelbe Geifer aus dem Maule und der heiße Atem 
dampfte aus Schlund und Nase, als koche im Drachen— 
leibe das wildeste Feuer. 
Der Köhler jedoch erschrak auch vor diesem greu— 
lichen Anblick nicht und wich nicht zurück, sondern er 
lachte vielmehr und lobte: U 
„Nun endlich, du tausendjähriges Viehzeug! — 
Hüte also deine Wildnis!“ 
mn 
Indessen schlief im Tale unten in einsamer Zelle 
ein junger Mönch den frühen Schlaf des Müden. Ihm 
träumte von einem Untier, das durch den Wald herab— 
kroch und die kleine Mönchsiedlung überrennen wollte, 
ehe sie noch vollendet war. Angstschweiß brach ihm ob 
des schrecklichen Traumes aus den Poren. Es war 
ihm aber, als fasse ihn ein Engel schützend an der 
Hand und tröste und mahne ihn mit unbeschreibbar 
klarer Stimme: 
„Kannst du ruhen, wenn der Drache naht? — Er— 
manne dich und gürte dich mit Gott!“ 
Sogleich erwachte der junge Mönch und erhob sich 
oon seinem Lager. Er schritt in die Nacht hinaus, dem 
Untier, das offenbar vom Teufel kam, entgegen. 
In Wahrheit hatte auch der Drache bereits sein 
Zyklopennest verlassen und schob den massigen Schä— 
del zwischen den auswärts gestemmten Vorderbeinen 
vorwärts. Breit war seine Spur und tief, die er im 
feuchten Waldboden hinterließ, und mißtönig war das 
Schlampfen und Wampfen von Maul und Bauch des 
sich zurch Mulm und Sumpf einherwälzenden Untiers. 
Durch die Stille, die den Mönch in des Waldes 
Mitte alsbald umgab, hörte er mit seinen Ohren, 
welche die Bangnis feinhöriger machte, das Schlamp— 
ien und Schlürfen und Zischen und Brausen. Angst 
umklammerte sein Herz. Der Drache mochte wohl noch 
weit sein, so weit, daß er, der Mensch, ihm wohl ent— 
ommen konnte, wenn er sich sogleich wandte und wie— 
der zu Tale eilte. Aber was hülfe es, wenn er ihm 
jetzt entkam? — Im Tale mußte er ihm um so sicherer 
in den Rachen fallen. 
So überschritt er denn die erste Höhenstufe, damals 
voll des dichten Waldes, bald später dann des schönen 
Klosters liebliches Eigen, und stieg höher und höher 
hinauf, obgleich das Brausen und Toben schier uner— 
träglich wurde und die Angst seine Knie zittern machte. 
Aber da sah er auch schon Dampf und Feuer zwi— 
schen den hohen Stämmen und urplötzlich wälzte sich 
ein Ding heran, als sei ein Felsklotz lebendig und 
zum Rachen gespalten geworden. Denn der dicke, 
plumpe Schädel war aufgerissen und heißer, stinkender 
Dunst stieß dem armen, verlassenen Menschen ent— 
gegen. * 
Er mußte verloren sein. Der Mönch mußte schon 
im. nächsten Augenblick ein höllisches Bett auf der gei— 
fertropfenden Zunge des Drachen finden und im
	        
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