Volltext: Heimatbuch Unterweissenbach

3ilder vom Leben auf einer heimischen Burg 
Bilder vom Leben auf einer heimischen Burg 
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Ruttenstein zeigt, so wie auch Prandegg, beein- 
druckend die Aufgaben einer mittelalterlichen Burg. 
Sie sollte Schutz und Geborgenheit bieten. Das Wort 
„Burg“ kommt ja auch von „bergen“. Die Burg 
diente aber auch der Repräsentation. Sie dokumen- 
tlerte einen Herrschaftsanspruch. Die höhere Posi- 
tion der Adeligen gegenüber dem „gemeinen Volk“ 
kam zum Ausdruck. 
Unerlässlich ist es, dass das mittelalterliche Lehens- 
und Gefolgschaftswesen knapp dargestellt wird. Nur 
so wird die Geschichte des Mittelalters bis ins 19. 
Jahrhundert herauf verständlich. Die alte Gesell- 
schaft war in Form einer Pyramide aufgebaut. An 
der Pyramidenspitze stand der König. Wurde der 
König vom Papst gesalbt, konnte er sich Kaiser nen- 
nen. Er galt als der weltliche Repräsentant Gottes 
auf Erden. Er wurde von den sieben Kurfürsten ge- 
wählt und es umgab ihn eine religiöse Aura. Er war 
der oberste Schützer des Glaubens. Dem König ge- 
hörte letztlich alles Land. Er vergab es an die Hoch- 
freien, die Grafen und die hervorragenden Klöster. 
Die hochadeligen Familien empfingen ihren Land- 
besitz vom König als Lehen für geleistete Dienste 
und blieben dafür dem Herrscher in Gefolgschafts- 
treue verbunden. Die Lehen, die ursprünglich „ver- 
liehen‘“ wurden, wurden bald vererbbarer Besitz. In 
ihrer. Gefolgschaftstreue übernahmen die Lehens- 
'eute im Heer des Königs führende Positionen. Der 
Hochadel umgab sich seinerseits wieder mit einem 
sigenen rangniedrigeren Gefolge von Adeligen, den 
Rıittern. Sie stellten die nächstniedrigere Stufe in der 
Gesellschaftspyramide dar. Als Lehensleute eines 
Hochadeligen durften sie nur mit dessen Genehmi- 
gung eine Burg errichten. 
Innerhalb des nichtadeligen Volkes kam den Bür- 
gern von Städten und Märkten, wie Weissenbach, 
eine privilegierte Stellung mit einem Maß an Selbst- 
verwaltung und zugesicherten Markt- und Handels- 
rechten zu. Auf der untersten Stufe stand der Bauer. 
Er erhielt von den Vertretern der oberen Stände, un- 
ter deren Schutz und in deren Abhängigkeit er stand, 
als Lehen eine Hofeinheit, eine Hube. Der Bauer 
orauchte im Allgemeinen keinen Wehrdienst zu leis- 
ten. Er bezahlte dafür das schon genannte „Rüst- 
geld“ und andere Steuern. Auch der Bauer war sei- 
aem Grundherrn für die anvertraute Hube zur solida- 
fischen Treue verpflichtet. Es gab „Rechtlehen“ mit 
Erbschaftsanspruch. Sie gingen wohl auf alte Frei- 
bauerngüter zurück. Sie waren anfangs nur mit ge- 
ringen Abgabenverpflichtungen belastet. 
Die Bauern unserer Gegend waren keine Leibeige- 
nen ihrer Burg- und Grundherren, wie dies oft 
fälschlich dargestellt wird. Sie waren Untertanen. 
Sie waren jedoch gerade in unserem Gebiet, wie sich 
noch zeigen wird, ihren Grundherren in einseitiger 
Weise ausgeliefert. Denn die Grundherren waren als 
Inhaber der Landgerichte zugleich ihre Gerichtsher- 
ren. Sie hatten die Verwaltung über und waren 
zugleich noch die Finanzbehörde. Gewissermaßen 
hatten unsere Bauern einen Plafond über sich, der 
den Zugang zu den höheren Instanzen der „Pyra- 
mide““ absperrte. Wagte man es dennoch, sich mit 
Beschwerden an den obersten Landesherrn zu wen- 
den, musste mit Vergeltungsmaßnahmen seitens der 
eigenen Grundherrschaft gerechnet werden. Das 
Verhältnis der Bauern zu ihrer Herrschaft braucht 
aber nicht generell als bedrückend angesehen zu 
werden. Es gab, besonders in den frühen Phasen, 
auch korrekte Beziehungen der Herrschaft zu den 
Jntertanen und ein patriarchalisches Sorgeverhalten. 
Doch später machten sich eine gegenseitige 
Intfremdung, vielfach auch Verachtung und Ge- 
waltbereitschaft breit. 1 
Nach diesem notwendigen Einschub soll zum Bau 
einer Burg und dem Leben in ihr zurückgekehrt 
werden: Bei der Auswahl des Bauplatzes kam es 
dem Bauherrn darauf an, dass die Burg von weitem 
gesehen wurde und eindrucksvoll auf den Betrachter 
oder eventuellen Angreifer wirkte. 
Vor Baubeginn galt es, die Wohn- und Arbeitshütten 
für die Bauleute zu errichten. Eine Grube zum Lö- 
schen des Kalkes war anzulegen. Kalk war hierorts 
Mangelware. Kalkhaltiges Schottergeröll musste am 
Donauufer, wohin es die Zuflüsse aus den Kalkalpen 
transportiert hatten, aufgelesen und gebrannt wer- 
den. Es verlor dabei rund die Hälfte seines Gewich- 
‚es und musste in Fuhrwerken an den Bauplatz her- 
angekarrt werden. Obwohl Kalk kostbar war, wurde 
bei Ruttenstein das Mauerwerk durchgehend ver- 
putzt. Der Burgherr war bestrebt, einen tüchtigen 
Baumeister anzuwerben. Der Bauplan wurde im 
Groben abgesprochen. Vor Ort wurde dann bei der 
Detailarbeit und der Statik auf die gesammelte Bau- 
erfahrung zurückgegriffen. Spezialisten am Bau wa- 
ren Steinbrecher, Steinmetzen und Zimmerleute. 
Untertänige Bauern leisteten „Zureichdienste‘‘. Die 
‘ Joachim Zeune, Burgen, Symbole der Macht, 1996
	        
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