Volltext: Heimatbuch Unterweissenbach

Die Zeit der rauen Nächte 
Die Zeit der rauen Nächte 
Ein winterlicher Streifzug durch das Brauchtum unseres Gebietes, % 
„auch „Greinerwald“ genannt 
Die Stürme des späten Herbstes sind verrauscht. 
Wiesen und Felder ruhen unter einer Schneedecke. 
Einsam und still liegen Dorf und Hof. Im Donautal 
braut tagelang der nasskalte Nebel; aber auf den 
Höhen des Berglandes blaut der klare Winterhim- 
mel. 
Die arbeitsharten Hände des Bauern rasten auch jetzt 
nicht ganz. Mancherlei Flick- und Heimarbeit gib! 
es zu tun. Eintönig liefe das Leben auf dem Bauern: 
hof dahin, wenn nicht die vielen „Bauernfeita“ ange- 
rückt kämen und Abwechslung brächten. Ganze 
Nachmittage sitzen die unentwegten Kartenspieler 
beisammen. 
Und dann naht die Zeit der Raunächte: Weihnach- 
ten. Diese Zeitspanne ist am reichsten mit alten 
Überlieferungen bedacht. Wenn Zeit bleibt zum 
Sinnen und Grübeln, dann erwachen in der Seele des 
Menschen geheimnisvolle Bilder und Vorstellungen. 
und aller Fortschritt hindert ihn nicht, Dingen nach- 
zuhängen, die im Lichte der Sommertage und im 
Drang der Arbeit nicht Herr werden können über 
sein Denken und Fühlen. 
Mit dem Thomastag beginnen dann die Raunächte. 
Stuben und Hof werden gescheuert und gekehrt, in 
die Strohsäcke kommt frisches Bettstroh. Abends 
geht der „Thomasnigl‘“ um, wohl ein Überrest des 
einstigen Dämonenglaubens. Im Gegensatz zu 
Knecht Ruprecht oder dem hl. Nikolaus schreckt der 
Thomasnigl Groß und Klein und versucht oft auch, 
besonders fürwitzige Menschen mitzunehmen. 
Für die heiratslustigen Mädchen sind die Tage bis 
zum Heiligen Abend von entscheidender Bedeutung. 
In diesen Tagen sollen sie keinen Weihbrunn berüh- 
ren; dann hören sie des Abends, wenn sie vor dem 
Haus in die Ferne horchen, den „Spitzbartl‘“, also 
den Teufel bellen. Aus dieser Richtung kommt dann 
auch im nächsten Jahr der zukünftige Mann. Manch 
ein heiratsnarrisches Mädchen stellt sich zur nächtli- 
chen Stund unter einen Zwetschkenbaum und 
spricht: 
„Zwetschkenbaum, bieg di, 
Thomas, I bitt di: 
Lass mir a Hunderl belln, 
Wo si mein Mann tuat meldn!“ 
Auf den eigentlichen Festtag, den Heiligen Abend, 
bereiten sich die Landleute heute noch durch ein 
Fasten vor. Zu Mittag kommt meist nur eine Ein- 
brennsuppe auf den Tisch. Dann wird es allmählich 
Abend. Draußen stehen die Wälder tief verschneit, 
kaum ein Laut dringt durch das Schweigen. Der 
Bauer nimmt das Gluthäfen und geht mit dem 
Knecht durch die Stube und Kammer, hinauf in den 
„Traidkasten‘, das Korn zu segnen, hernach in den 
Stall, dem Vieh, seinem kostbaren Gut, das gleiche 
Heil zu erbitten und Unglück davon abzuhalten. Der 
3ub trippelt mit ernstem Gesichtlein hinterdrein, hat 
etliche zum Büschel gebundene Kornähren ın der 
Hand und sprengt damit Weihwasser aus. Indes der 
Bauer räuchert, gibt der Knecht jedem Tier Brot- 
schnitten zu fressen. Sie sind mit dem geweihten 
Wasser getränkt und kleine Stücke des österlichen 
Palmbesens sind ihnen beigegeben. Von den Eben- 
ödern sagen die Leute, dass sie am Hl. Abend beim 
Räuchern auch rund ums Haus gehen. Der Brauch 
ist vielgestaltig und jeder übt ihn, wie er es gewohnt 
Ist, aus. 
Der Rundgang ist beendet, der Bauer ist in die Stube 
zurückgekehrt. Nun stellt er den Gluttopf in die 
Mitte, alle Hausleute um ihn herum. „Dass ‘die 
Kornmandl im nächsten Jahr recht dick stehen!“, 
wünscht er und denkt dabei der Zeit, da die Sensen 
durch die Halme singen. „Geb’s Gott, dass es eine 
gute Ernte werd.“ 
Um diese Stunde, da der Bauer sich mit seinen 
Hausleuten an den alten Tisch im Herrgottswinkel 
-oto: Ing. Franz Rosinger 
SteinbloßRhaus im Winter, Dauerbach 20
	        
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