Die digitale Landesbibliothek Oberösterreich

kommt, uns unser innersten Gedanken sagen u. kein Wölkchen lassen 
zwischen uns, keinen Augenblick - gelt - keinen Augenblick! 
„Groß müssen zwei Herzen sein, welche dem leise nagenden Zahn der 
Alltäglichkei nicht unterthan sich in ein reiches Leben schauen lassen, 
wo die Grazie täglich in immer anderer Gestalt auf dem Thron sitzt, groß 
müssen sie sein und ohn Sünde, dann können sie getrost eingehen 
durch das Prachtthor der Hochzeit, für sie führt der Garten ins Undendli- 
che.” So muß Stifter ziemlich wörtlich gesagt haben, es paßt ja auf uns, 
wenn wir wollen u. wir wollen ja, nicht wahr Angela, wir wollen groß sein 
u. können es, wenn wir wollen. Und ohne Sünde sind wir auch, unsere 
Ehe soll immerdar eine reine u. keusche sein; jetzt verstehe ich, was ei- 
ne reine Ehe ist. 
Du hast so unendlich lieb geschrieben, daß ich Dich tausendmal küssen 
möchte. Ja ein reiches Leben liegt vor uns; unzertrennlich bleiben wir 
vereint, unzertrennlich. 
Jetzt sind wir uns doppelt unentbehrlich geworden: Seele u. Leib sehnen 
sich nach einander. Du hast an unserem Brautabend so klar wie eine 
Prophetin uns beide gekennzeichnet: wir sind ja beide zu sehr eins, die 
Traurigkeit u. Freude trifft uns beide in gleichem Augenblick ob wir bei- 
sammen sind oder einander fern. Ach wie dürste ich gerade jetzt nach 
Geld, u. doch entflieht mir jeder Kreuzer so leicht, daß ich mich wirklich 
sehr freue auf unser gemeinsames Hauptbuch. Ich glaube selbst, daß 
ich praktisch werden kann; hast recht Weibchen, praktischer will ich wer- 
den. 
Dein Brief wird immer herrlicher je länger ich ihn lese, Du bist u. bleibst 
ja mein Schutzengel. Ich muß jetzt Alles Alles ruhig bedenken; es darf 
uns einst gar nichts reuen, was wir gethan. 
18. Früh. Guten Morgen, mein süßes Kind, schlafe nur noch, einen lei- 
sen leisen Kuß auf Deine Stirne!