Volltext: Liebe und Leben - ein Schicksal nach Briefen [Folge 12]

Nr. 10 
1872? Mödling? Halbe Seite Steno, übertragen: 
Meine teure Angela! 
Die Wogen der Erregung gehen hoch, immer höher und jetzt 
kommt noch die Angst um mein geliebtes Engelskind dazu! Ich bitte dich 
um Gottes Willen, mein teures Herz, was fehlt dir denn, dass du diesmal 
am Sonntag nicht geschrieben hast? Du bist gewiss krank, hat dich die 
Aufregung der verflossenen Zeit so angeschaffen, oder hast du dich ver- 
kühlt? Ich bitte dich um deiner Liebe willen, mache es mir möglich, etwas 
über dich zu erfahren. Soll ich kommen zu dir? Unsere Sterne stehen so 
günstig als es nur sein kann, obwohl gerade die jetzige Zeit der Ent- 
scheidung alle Nerven meines Seins in Spannung hält. Es hängt Ja unser 
ganzes Zukunftsglück davon ab. Gleichwohl ist nach menschlichen Be- 
griffen unser Glück gemacht. Was ich tun konnte habe ich redlich geleis- 
tet und jetzt in 8 Tagen soviel gearbeitet wie früher in 8 Wochen. Es ge- 
schieht ja alles, alles dir zuliebe. Du bist der Stern meines Lebens und 
für dich ist nichts zu schwer und mein Name ist gesichert und wenn auch 
die ersten Anfänge noch mit manchem Hindernis und Hemmschuh 
kommen werden. Nur darf man jetzt um keinen Preis mutlos und nach- 
giebig werden. Mein Lohn kann ja nicht ausbleiben, und das Geschäft 
mit der Wienerberger Gesellschaft ihren Zement-Rollern (?) ist mir so in 
den Schoß? Gefallen, dass es gerade für mein Frauchen ein nettes 
Hochzeitsgeschenk wird. Sie wird sich wohl noch ein wenig sträuben, 
aber es nutzt ihr nicht, sie hat ein zu großes Interesse daran. Und heute 
bereits sind die Aktien gestiegen und ich bin schon wieder um 100 Gul- 
den reicher. Das Häuserl wird bald fertig sein, wenn es so fort geht. Ich 
werde morgen mit der Equipage der Gesellschaft ihre Werke besuchen 
und die Ausdehnung der Roller studieren. Ich habe mir für jeden Besuch 
ihrer Lager 5 Gulden Diäten ausbedungen und da ich bereits 4 ...ge- 
macht habe, bekomm ich jetzt auf jeden Fall gleich einhundert Gulden 
und dann die Anwartschaft auf 2000 Gulden nach der ersten größeren 
Probe. Und das ist doch nur Nebengeschäft; die Hauptsache bleibt der 
Magnesia-Zement; heute geht es wieder zur Wasserversorgungskom- 
mission, und es wird heute das Endurteil gefällt. (Ende des Steno- 
gramms) 
6 Uhr abends (?). Bin eben davongeeilt u. nach Hause — noch immer 
kein Brief! Angela, Angela, was ist das? Ach, viel lieber Not u. Elend lei- 
den u. aller Welt Hohn, als Dich verlieren! 
Ich komme zu Dir, ich komme um Dir beizustehen u. Dich zu trösten u. 
zu pflegen, mein über alles geliebtes Engelskind! Geh, ich bitte Dich In- 
nigst nur drei Worte schreibe! Kanns nicht mehr aushalten!! Ach schreibe 
doch oder melde mir durch andere, was Dir fehlt - Gott o Gott steh mei- 
nem Engelherzchen bei! 
In größter Angst ums Albrecht.
	        
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