Die Vollendung des Gotteshauses darf nun aber nicht so aufgefaßt werden,
als sei es völlig fertig gewesen: es war nur eine Fertigstellung zum Gottes-
diensthalten, eine „Capella sancti Wolfgangi“‘, sicherlich ohne Turm und
rückwärtigen Teil der Kirche (Gruftraum, Empore).
Geistberger schreibt in den Christlichen Kunstblättern: „Obwohl die
Kirche vier Jahre nach ihrer Konsekration (Weihe) zu einer Pfarrkirche mit
sehr kleinem Sprengel erhoben worden war, so scheint sie doch innen noch
nicht vollständig ausgebaut, umsoweniger ganz eingerichtet gewesen zu
sein.“
Zur Schaffung der erforderlichen Mittel wurde in Rom neuerdings ein
Ablaßbrief erwirkt und am 25. September 1497 von 24 Kardinälen be-
siegelt. Darin wird ebenso wie in den vorhergehenden gewünscht, daß die
nunmehrige Pfarrkirche von den Christgläubigen andächtig besucht werde.
Jenen, die das Gotteshaus andächtig besuchten und für obige Zwecke hilf-
reiche Hand boten, wurden am Osterdienstag, am Tage der Auffindung des
Hl. Stephanus (3. August), am Sonntage nach Allerseelen und am Freitag
nach „Invocavit‘“ (erster Fastensonntag) je 100 Tage Ablaß verliehen.
Daß die Kirche bei ihrer Einweihung noch nicht ganz fertig war, wie es da-
mals übrigens die Regel gewesen sein dürfte, beweisen auch die Worte des
Historikers Pillwein: “. . . sie wurde 1491 vergrößert...‘
Ein weiterer Beweis dafür ist auch die zweite Bauetappe von 1497 — 1504:
die Fertigstellung des rückwärtigen Teiles der Kirche mit dem Gruftraum,
wo am 21. Oktober 1504 von Weihbischof Bernhard von Passau zwei
weitere Altäre geweiht wurden. (Über dem Gruftraum, wo heute die
Beichtstühle stehen.)
Der Turm, die dritte und letzte Bauetappe der Kirche, wurde in der Zeit
von 1504 bis 1515 (1516) fertiggestellt. Dafür haben wir wieder den Be-
weis: 1516 wurde die erste Glocke unserer Kirche, die „Große Glocke“, in
den Turm gehangen. (Sie befindet sich heute noch im Turm: Jahreszahl
1516, 1350 kg, Durchmesser 1,30 m, Ton „f“.)
Die schnelle Erst-Bauzeit (Langschiff und Altarraum, ohne rückwärtigen
Teil und ohne Turm) der Kirche, die von 1471 bis 1476 dauerte, erregte
die größte Bewunderung. Es herrschte nämlich keine friedliche und für
kulturelle Vorhaben günstige Zeit.
Von 1472 bis 1477 ließen mehrere Fehden unser Mühlviertel nicht zur Ru-
he kommen. Böhmische Reiter fielen ein und eroberten 1474 das Schloß
Hörschlag (in der Pfarre Rainbach bei Freistadt), welches ihnen in weiterer
Folge zum Ausgangspunkt für Raubzüge ins untere Mühlviertel diente. Ob-
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