Volltext: 850 Jahre Michaelnbach

Der strenge Winter 1941/42 traf unsere Soldaten in 
Rußland unvorbereitet. In höchster Eile wurden 
Sammlungen durchgeführt, bei denen besonders 
Pelze, Wollsachen, Felle, Schier und anderes 
erwünscht waren. Durch den hohen Materialbedarf 
des Krieges wurden auch Altstoffsammlungen 
eingeführt. Abgeliefert wurden Lumpen, Knochen, 
Papier, Alteisen, Messing, Blei und Kupfer. 
Wie in vielen Pfarrdörfern wurden auch bei uns die 
Kirchenglocken abgenommen. Als Ersatz kam die 
nur 30 kg schwere Glocke der Filialkirche von 
Wödling auf den Turm. 
Im Jahre 1944 wurde die Lage immer ernster. 
Pfingsten 1944 — erster Bombenangriff auf Wels. 
Dieser konnte. von Michaelnbach aus gut beob- 
achtet werden. Von diesem Zeitpunkt an erfolgten 
fast täglich feindliche Einflüge. Besonders die 
Städte Linz, Wels und Steyr wurden arg in Mit- 
leidenschaft gezogen. 
Im September dieses Jahres fielen auch in unserem 
Gemeindegebiet außerhalb von Armau auf freiem 
Feld die ersten Bomben. Es waren zehn 250-kg- 
Bomben, die nur Flurschäden anrichteten. Durch 
die immer häufiger werdenden Bombenangriffe auf 
unsere Städte flüchteten zahlreiche Familien, 
hauptsächlich aber Frauen und Kinder, aufs Land. 
Fast täglich meldete sich in den Vormittagsstunden 
der Drahtfunk mit dem Luftlagebericht. ‚‚Schwere 
feindliche Bomberverbände. im Anflug über 
Kärnten und Steiermark” hieß es und es dauerte 
meist nicht lange, bis man das unheimliche 
Dröhnen der schweren Flugzeuge hören konnte. Es 
wurden oft Flugzettel, Stanniolschleifen und leere 
Benzinkanister abgeworfen. 
Inzwischen sind die Russen bis Ungarn vorge- 
drungen. Die Volksdeutschen aus Siebenbürgen, 
dem Banat und anderen Gebieten des Südostens 
mußten dadurch ihre Heimat verlassen. Lange 
Flüchtlingstrecks zogen auf den Landstraßen. In 
fast jedem Haus waren auch in unserer Gegend 
Flüchtlingsfamilien untergebracht. 
In den ersten Monaten 1945 wurde die Situation 
katastrophal. Neue Flüchtlingsströme aus Schle- 
sien kamen nach Oberösterreich und wurden auf 
die einzelnen Orte aufgeteilt. Da in den Privat- 
häusern kein Platz mehr war, mußte die Schule 
gesperrt werden, um den Flüchtlingen ein Obdach 
zu bieten. Auch in den Gasthäusern waren sie 
untergebracht. 
Als Art letztes Aufgebot wurde schließlich der 
‚„„‚Volkssturm“ gegründet. Alte Männer und ganz 
junge Burschen (alle anderen waren ja an der Front) 
wurden zur Verteidigung aufgerufen. Die Fronten 
rückten immer näher. In Auflösung begriffene 
deutsche und ungarische Truppen bevölkerten die 
Landstraßen. Bei Tag wagte sich fast niemand mehr 
aus dem Haus, da ständig Tieffliegergefahr war. 
Auf unerklärliche Weise brannten Ende März 1945 
in einer Nacht zwei große Bauernhäuser ab: das 
Ameshofergut in Haus und der Amesederhof in 
Schmiedgraben. Es wurde allgemein Sabotage ver- 
mutet. 
Am Palmsonntag wurden neuerdings in unserem 
Gemeindegebiet Bomben geworfen, und zwar an 
derselben Stelle wie im Herbst. 
Zu Ostern hörte man bereits von den Fronten aus 
Niederösterreich und Bayern schießen. 
Lange Kolonnen von Kriegsgefangenen wurden 
durchgetrieben. Im Kirchbergwald wurden fünf 
rumänische Gefangene von SS-Soldaten erschos- 
sen und in einem Bombentrichter verscharrt. 
In den letzten Apriltagen und Anfang Mai über- 
stürzten sich die Ereignisse. Von den Mühlviertleı 
Bergen konnte man des Nachts schon das Auf- 
blitzen der amerikanischen Geschütze sehen. 
Am Abend des 3. Mai fuhr der erste amerikanische 
Jeep in Waizenkirchen ein. Damit schien für uns 
der Krieg aus zu sein. Alles erwartete die Ankunft 
der Amerikaner. Als dann plötzlich am 4. Mai von 
Pötting her eine Kolonne SS-Soldaten ankam und 
sich in Michaelnbach allen Ernstes auf eine Vertei- 
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