Full text: Das Schweigen im Walde

Und dann kam jene furchtbare Nachricht auch zu uns aus 
dem fernen Schweizerlande, die man nimmerdar vergisst: 
Kaiserin Elisabeth in Genf ermordet! 
Es hatte ausgeregnet, durch den Wald zieht jener Iris— 
schimmer, wie nach dem Regen meist; ein seltsam Harfen— 
klingen in den Lüften. Vor einem Kreuzbilde kniet ein altes 
Mütterlein mit ihrem Enkelkind; die Lippen bewegen sich 
leise; sie betet für den guten ritterlichen Kaiser, dessen schwer— 
geprüftes Herz auch diesen Schlag überwinden soll. Tief vom 
Süden blickt des Himmels Blau noch einmal herauf; der 
Abendstern! . . Das waren die Tage, da der Herzschlag der 
Welt eine Weile langsamer gieng, ja zu stocken drohte. Die 
Blicke sie sind gerichtet in diesen Herbsttagen nach dem Hotel 
Beaurivage, wo man zum Mont Blanc schaut und wo 
Elisabeths Sterbliches ruht: die Mater Dolorosa mit der 
Todeswunde. Mit Wehmuth hörte man, wie das geschäftige, 
alltägliche Leben selbst dort nicht zu bannen war, wie das 
Leben weiter pulsierte, dort wo die einzig herrliche Königin 
und Kaiserin weiter Reiche ihren letzten Schlaf schlief. „Sie 
gleicht der Sappho“, sagte jener Grieche von ihr. Ich war 
in Kloster Millstatt am See; draußen in halbverblichenen, 
doch satten Farben prangt ein Bild vom letzten Weltgerichte 
und leuchtet über den stillen Garten. Dann kommt der Tag, 
da man sie heimgeleitet auf letzter Fahrt in das schöne ster— 
reich. Noch sommerlich ist es, die Bergeswelt grünt, dort 
von der Burg Hohenems in Vorarlberg bis nach Innsbruck 
und wo vom Untersberge bei Salzburg die Zwerglein nieder— 
schauen — und über die Welser Haide — die Donau ent— 
lang gegen Wien, die treue, fromme Kaiserstadt an den 
Pforten des Morgenlandsß. 
Wieder läuteten heute die Glocken; sie kamen wie 
Meeresrauschen in den Forst und ihre Klänge verwehten bis 
zu den Bergen, der Heimaͤt der Felsen über! Es ist die
	        
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