so bildete sich doch bald ein Verhaͤltniß, wo englische Sinnigkeit und
deutsche Gemüthlichkeit sich inniger an einander schlossen. Die Her—⸗
zogin von Orleans, noch den Verlust ihres Gemahls betrauernd,
war entschlossen, wie bisher auch jetzt an den öffentlichen Festen
keinen Antheil zu nehmen. Doch bei einem Besuche der Königin
bei ihr und ihren Kindern gewann diese bald die ganze Zuneigung
der Herzogin. Beide Füuͤrstinnen sprachen die Hoffnungen und
Wünsche für das Geschick ihrer Kinder, der kuͤnftigen Beherrscher
Großbritanniens und Frankreichs, gegen einander aus, und wurden
so vertraut, daß die Herzogin von Orleans ihren Entschluß aufgab
und fortan stets neben der Königin Victoria erschien.
Das Schloß Eu, von Rollo gegründet, und oft zerstört und
wieder aufgebaut, liegt in der Nähe des Hafenortes Treport an der
Kuͤste der Normandie. Seinen Namen hat es von der alten Burg
Eu, und sein gegenwärtiger Anblick erinnert den Besucher an jene
Zeiten, wo der bizarre Geschmack des 16. Jahrhunderts noch vor⸗
herrschte, zugleich bemerkt man aber auch die Hinzufuͤgungen und
Abaͤnderungen in der Höhe der Facçade, welche im Verlaufe der letz—
ten sechs und zwanzig Jahre, seitdem es in dem Besitze Louis Phi—
lipps ist, hinzugefügt worden sind.
Das lothringische Haus starb im Jahre 1675 aus und nun
kam das Schloß durch Kauf an die beruͤhmte Mademoiselle de Mont—
pensier, die Tochter des Herzogs Gaston von Orleans. Nach ihrem
Tode kam es in den Besitz des Herzogs von Maine, eines legiti—
mirten Sohnes Ludwigs XIV., von dem es auf den Herzog von
Penthievre, den Großvater des jetzigen Königs der Franzosen, über—
ging, welcher Letztere dasselbe nach dem Ableben der verwittweten
Herzogin von Orleans im Jahre 1821 erbte.
Bei seinem Besuche in Eu in genanntem Jahre, war der
Herzog von Orleans von der reizenden Lage so entzückt und durch
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die mit ihm verknuͤpften geschichtlichen Erinnerungen so lebhaft fuͤr
dasselbe interesstrt, daß er das Gebäude wieder herzustellen beschloß,
und es auch wirklich zu einem reizenden Wohnhause, das den Stem⸗
pel einfacher, behaglicher Bürgerlichkeit trägt, umschaffen ließ. Es
ist von rothen Steinen in italienischem Geschmacke gebaut, nicht hoch,
sondern weit, und gleicht eher einer stolzen Villa, als einem Nor—
mannenschlosse. Aus dem Ehrenhof tritt man in das Schloß mittels
einer mit Glaswänden versehenen Gallerie, welche unten einen Por—⸗—
tieus und oben einen Balkon bildet. Kommt man durch den Hof,
so erblickt man an den Waͤnden eine Reihe von Büsten, welche Glie—
der der Familie Artois, Grafen von Eu und einige Guisen dar—⸗
stellen. Durch ein mit Portraits geschmuͤcktes Vorzimmer gelangt
man zu den Gäangen, welche zu dem Cabinet der Königin Christine
von Schweden führen. Portraits der königl. Familie von Frankreich
vom Jahre 1252 bis 1818 zieren dieses Zimmer. Der große Em—
pfangssaal ist mit kostbaren gelben, mit Gobelins überzogenen Stüh—
len ausgestattet, und an den Waͤnden haͤngen Bildnisse von Helden,
Staatsmaͤnnern u. s. w. Der mit diesem Saale parallel laufende
Speisesaal hat ein reichverziertes Täfelwerk, das schön gemalt ist.
Die hier aufgehängten Portraits sind vorzüglich solche von Gene—
raͤlen aus der Kaiserzeit und anderen Personen von Bedeutung aus
der neueren Zeit. Durch einen Gang zur Rechten kommt man an
die große, etwas steile Treppe, von da in den herrlichen Saal der
Guisen, so genannt, weil ihn die Bildnisse der stolzen und unbaͤn—
digen Herzöge dieses Namens schmuͤcken. Durch eine Reihe von
schönen elegant meublirten Zimmern, die alle mit Portraits ge—
schmückt sind, gelangt man in den Fluͤgel des Schlosses, in welchem
die Schwester des Königs, Madame Adelaide wohnt. Unter diesem
Zimmer liegt der Salon, das Schlafgemach und das Cabinet, in
denen die Koönigin Victoria waͤhrend ihres Aufenthaltes wohnte. In