Da löste der junge Leutnant den Zwiespalt in seinem Herzen auf
seine Art.
Er stellte das Gewehr, mit dem er nach guter schwäbischer Weise gestürmt
hatte, an einen Grabstein, reichte seinen Revolver dem nächsten Musletier,
salutierte den Briten und ging mit ganz, ganz langsamen Schritten auf
diesen zu.
Da straffte sich der Schwerverwundete vor der furchtbaren Entschei⸗
dung, vor die er sich gestellt sah:
„Ich will lieber tot sein, als gefangen!“ rief er mit lauter Stimme und
in gutem, klarem Deutsch.
Ganz langsam ging der Leutnant, verhielt auch nach jedem zweiten und
dritten Schritt, seine guten Augen auf das Antlitz seines Feindes gerichtet,
auf dem die Gedanken sich jagten.
Zum ersten Male stockte er beim Rufe des Engländers, wandte sich lang—
sam zu seinen Leuten und rief: „Daß mir keiner schießtl“ —
Dann tat er den vierten und fünften Schritt.
Vvon seinen Leuten lagen die einen im Anschlag, die andern waren in
atemloser Spannung hinter den deckenden Steinen vorgetreten.
Geatmet hat in dieser Minute keiner.
Der Brite schwankte und legte, haltsuchend, den linken Arm wieder um
das Grabkreuz: „Bleiben Sie stehen“, schrie er in höchster Erregung, „ich
werde schießen, bei Gott, ich werde schießen!“
Ungläubig und mit kindlichem Lächeln breitete der Junge die Arme, als
wollte er sagen: „Das bringst du ja gar nicht fertigl“
Und tat den sechsten, den siebenten und den achten Schritt.
In dem Antlitz des Briten spielte sich ein furchtbarer Kampf ab.
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Langsam, als wäre sie zentnerschwer, hob er die Hand zum Schuß. —
„Aufpasse! Aufpasse, Herr Leutnant!“
„Nicht schießen, Leute!“ rief der.
Aufstöhnend ließ der Engländer die Waffe sinten.
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