Donnerstag, den 1. Mai
Der Liebesgabenwein war gut, darum will man nicht hören, als es
um vier Uhr „Alarm“ heißt; Sakra, die Roten werden doch nicht an⸗
greifen, danach sahen die bisherigen Spartakuserfahrungen denn doch
nicht aus...! Alarm, um fünf Uhr geht's schon los, in München muß
Teufelei sein! — es war der Tag des Geiselmords. Waldstück für Wald⸗
stück, Ortschaft für Ortschaft, — am Nachmittag steigen auf einmal
hinter einer Wegebiegung die großen Frauentürme auf, wie ein Signal:
Eilt! eiltl — Irgendwie hat man Kunde von den Morden, es soll zu
Kämpfen der Roten mit freiwilligen Bürgerwehren gekommen sein, —
aber man kann die Truppe nicht im Dunkeln in die feindliche Großstadt
hineinführen. Querfeldein kommen zwei Reiter auf uns zu: Hauptmann
Spring nimmt für die Nachbargruppe Graeter Verbindung auf; aber —
— unser ganzer „Ring um München“ ist immer noch nur ein paar tausend
Gewehre stark
In Großhadern wird Quartier bezogen; die Kompanie ersteht sich als
Sturmfutter für morgen ein Ralb, die Haut wird gleich verkauft, dann
ist es nicht mal so teuer. In der Nähe in einer Siedlung soll ein kommu⸗
nistisches Jentrum sein, ich komme mit meiner Patrouille vor die Villa
des gewesenen jüdischen Ministerpräsidenten Kisner, den Graf Arco im
Februar erschoß. Die Witwe spielt die Märtyrerin, man wolle sie nur
schikanieren ... aber mein braver Bursche Thüringer zieht sechs Gewehre
mit Munition aus der Dachkammer, da wird sie bescheidener. Als wir sie
zum Stabsquartier bringen, drohen ihr die Bauern von allen Seiten;
aber es ist ihr nichts geschehen, entgegen allen späteren Versuchen ihrer
Anhängerschaft, sie als unser Opfer hinzustellen.
Freitag, den 2. Mai
Angriffstag; feindselig starren die breiten Fronten der Fabriken und
Wohnkolonien herüber; langsam sieht man, soweit der Blick reicht, auf
allen Anmarschstraßen die so kleinen Kolonnen der Angriffstruppen der
Stadt zuziehen. Sendling und Talkirchen sind unser Abschnitt. Jubel und
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