Volltext: Die Mannschaft 2. Band (2. Band / 1937)

2Z 
Da fing man an, zornig über ihn zu lachen, und schließlich verachtete man 
ihn. Man ließ ihn reden und hörte nicht mehr hin. 
Er hatte eine gewisse vollkommen deplazierte Manier, große Reden über 
kleine Dinge zu halten, etwa über den kulinarischen Genuß eines nicht vor 
handenen Schnitzels oder über einen Spaziergang, den er drei Jahre vorm 
Kriege unternommen hatte, eine Art von Unterhaltung, die hier sehr wenig 
am Platz war, abgesehen davon, daß man sie im richtigen Abstand der 
absoluten Ironie geführt hätte, aber das lag ihm ganz fern; er war inner 
lich ergriffen von solchen Dingen und konnte geradezu sentimental dabei 
werden. 
Oder er fühlte sich verpflichtet, sich ziemlich ausführlich zu strategischen 
Maßnahmen zu äußern angesichts eines Blickfeldes, das so weit reichte 
wie der Blick seiner beiden Augen. Ls war manchmal peinlich, ihn seine 
Stimme erheben zu hören über Angelegenheiten, von denen er offenbar 
nicht die geringste Ahnung hatte. Und das alles in einem unausstehlich 
dozierenden Ton, beinah wohlwollend und herablassend. 
Selbstverständlich war er der schlechteste Soldat, den man sich vorstellen 
konnte. Lr war außerstande, irgendeinen Griff auch nur mittelmäßig vor 
zumachen; seine Ehrenbezeugung war ein Skandal, sein Lxerziermarsch 
spottete jeder Beschreibung und er selber, angefangen vom Brotbeutel bis 
hinauf zur Helmspitze — damals trug man noch die Pickelhaube — war 
ein Musterbeispiel des Soldaten, wie er nicht sein soll. 
Lr war das größte Mißverhältnis zwischen Aufgabe und Erfüllung, 
das man sich vorstellen konnte, und das war ganz unzweideutig. Ich 
habe nie einen so eindeutigen Fall gesehen. Dabei war er Kriegsfreiwilliger, 
und der gute Wille war ihm nicht abzustreiten. Mich versöhnte das, und 
mitunter stimmte es mich so traurig, daß ich ihn kaum ansehen konnte, 
aber die andern — Bauernsöhne, Knechte, Hafenarbeiter, Handwerker, 
Schlosser und Maurer — hatten dafür absolut kein Verständnis und emp 
fanden schließlich jenen angewiderten Arger, den man über einen völlig 
unangebrachten Gegenstand an einem wichtigen Platz empfindet. Man 
duldete ihn.
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.