Volltext: Die Mannschaft 2. Band (2. Band / 1937)

Und das war keine zynische Antwort, selbst wenn man an Retzers 
krumme Beine dachte. 
Abend für Abend saßen wir und sangen. Ich liebte Marie, dafür wurdt 
mir auch eine schwere Probe auferlegt. 
Denn als wir an einem der nächsten Abende — es mochten acht seit 
jenem ersten vergangen sein, und elf, zwölf Tage währte Mariens Ur 
laub — einmal mit den Liedern innehielten und wir von den Schlachten 
sprachen, — sprach ich einmal ein Wort zum Lobe Bismarcks. So war 
mir überkommen, und ich war damals nicht verpflichtet, etwas Einschrän 
kendes zu sagen; das mochte Letzer tun, der Bergarbeiter und Sozialist, 
der schon fünf Arbeitsjahre unter Tag auf dem Buckel trug und politisch 
ausgebildet war, nicht ich, der mit den einseitigen Weisheiten des Gym 
nasiums nach j 900 den grauen Rock angezogen hatte. 
Aber da fuhr das kleine Mädchen von Mühlhausen auf; das kleine 
Stimmchen, das so lieblich Lieder singen konnte, überschlug sich; die 
Lippen, die so witzige Antworten formen konnten, schleuderten nun giftige 
Worte heraus. Ich sah den Umschwung von dem Liedersingen zur Politik 
und wurde bleich. Es war dumm von mir, aber man ließ ja halbe Rinder 
in den Rrieg, es war auch ungeschickt, denn ich hätte mich ja nun be 
lehren lassen können. Aber auch meine Verehrung für das nicht unfeine 
Mädchen war getroffen, Blattschuß sozusagen, und so griff ich nach der 
Mütze, machte mit gepreßten Lippen eine Verbeugung und ging davon, 
unter den Sternenhimmel und später ins Quartier. 
Retzer stand noch in der Tür: 
„Darf ich dich rächen?" fragte er. 
Ich nickte nur. 
In einer schlaflosen Nacht kam ich mit ihm überein, daß ich Marie 
liebe, und daß ich es nicht tun dürfe, weil sie mein Vaterland haßte. Auch 
sah ich sie nicht wieder, zwei Tage danach war sie nach Mühlhausen 
zurückgefahren, und bald rollten wieder die roten Rolli-Wagen unter den 
blauen Vogesen her nach Nordwesten.
	        
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