Die digitale Landesbibliothek Oberösterreich

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der Treppe, setzte sich ein Mädchen zu uns auf die grüne Bank, das aus 
Mühlhausen — Mülhuusen sagte sie, mit dem Ton auf der zweiten 
Silbe — zu ihren Verwandten auf Besuch gekommen war. Sie mochte 
zwanzig Jahre zählen, war hurtig in ihren Bewegungen, wie hier alle 
Grenzländerinnen, und mit ihr zu plappern schien eine Luft, so gewandt 
und witzig setzte sie ihre Worte. 
Später gingen die meisten Infanteristen vors Dorf hinaus in den fried 
lichen Abend, andere spielten unter dem (vbsthag Plumpsack und Schinken- 
klopfen, wir blieben mit einigen, die herzu kamen, unter dem Vorbau 
sitzen, und wir sangen, wie das unter Soldaten Sitte ist. Da zeigte sich 
denn Marie aus Mühlhausen von ihrer besten Seite — sie sang mit einer 
weichen, sehnsüchtig machenden Stimme ganz ungekünstelt, schwamm über 
dem Klang unserer rauhen Lriegerkehlen mit ihrem Lerchenton, setzte zu 
weilen von der tragenden Melodie mit kühnem aber unfehlbarem Sprung 
in die Begleitung, klomm wieder ins Licht . . . und als wir dann, nach 
einer weile, mit unserm Liederschatz zu Ende waren, fand sie neue, und 
unbekannte Lieder oder zu bekannten Gedichten unbekannte Weisen, es 
war ein natürlicher und unerschöpflicher Reichtum. 
wie sie da saß, in einem Schattenriß von zierlicher Kontur gegen das 
breit einfallende Mondlicht, schien sie mir schön . . . ihre Augen waren 
hell, aber von tieferem Blau als die des Feldwebels Ketzer, auch sie hatte 
Sommersprossen, aber ganz wenige, die nicht abschreckten, sondern heraus 
forderten, und ihre schmale, schlanke Gestalt und ihre langen, schmalen, 
aber doch fraulichen Hände, dazu ihr ftrohhelles Haar schienen auch Ketzer, 
dem Kenner, untadelig. 
Denn als ich, nach dem Auseinandergehn, als immatrikulierter Student 
der Literaturgeschichte, zu Ketzer sagte: 
„Vielleicht war so Goethes Friederice, die aus Sesenheim, weißt du, 
die auch so viele Lieder konnte . . . 
gab er mir eine gute und wahrhaftig klügere Antwort: 
„Hast du ihren Gang gesehen?" ...