Volltext: Die Mannschaft 2. Band (2. Band / 1937)

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mal ging der Versuch nicht fehl; einige begannen zu singen — „zu balzen" 
wie der Feldwebel Letzer vom zweiten Zug sagte — und die Marsch 
kolonne schloß sich wieder enger. 
Als ich das Dutzend Heiligenbilder wieder in die Tasche versenken wollte, 
entriß mir's einer, und zwar mit sicher schraubendem Griff; ich konnte 
mich nicht wehren. Es war Letzer, natürlich Letzer, der seinen revolutio 
nären willen auch darin kundtat, daß er's stets auf die Unhöflichkeit an 
legte; Letzer nicht nur von Namen, sondern von Beruf; aber ein Pracht 
mensch, und ich ließ ihm die Bilder gern. 
was er damit anstellte, war freilich weniger schön. Er hat keins be 
schädigt oder befleckt und hielt ein jedes in seinen schweren, ungeschickten 
Bergmannsfäusten, wie er ein Filigran-Medaillon gehalten hätte. 
Aber er hielt Zwiesprache mit den Bildnissen meiner Freundinnen, und er 
tat das so ungeniert, daß ich einen roten Lops bekam. Er ging auf die 
Einzelheiten, er hatte einen gesunden Appetit, er war bestimmt kein Vege 
tarianer und schmatzte und schnalzte vor Vergnügen an seinem Augen 
schmaus. Eifersucht wäre lächerlich gewesen — es ging ja nur um ein 
paar Bilder; aber ich zürnte ihm. Nicht, daß er sich so unbekümmert 
äußerte wie nur irgendein entwöhnter Frontsoldat, tat mir weh; aber ich 
liebte ihn als guten Lameraden und konnte nicht mit anschn, wie er sich 
selbst vor meinen Augen heruntersetzte. Mit einem ebenso schnellen Zu 
griff wie dem seinen suchte ich ihm die Bildnisse zu entreißen; aber er 
ließ mich spüren, daß er stärker war, und behielt seinen Raub in der Faust. 
Er war kein schöner Troubadour; so breit und kräftig die Brust dieses 
jungen Mannes sich wölbte, der unter Tag früh an die schwerste Arbeit 
gewöhnt war: seine krummen Beine, über die er selbst zu spotten pflegte, 
gaben seiner Gestalt einen komischen Beigeschmack. Sein Lopf war groß, 
aber nach oben ein wenig zugespitzt; sein Mund breit und nicht eben 
wohlgeformt die Lippe; sein Auge wasserblau, aber immer lustig bewegt. 
Und er hatte Sommersprossen, eine richtige Milchstraße davon. 
Aber da war keiner, der ihm nicht den Rang des Feldwebels gegönnt 
hätte. Unermüdlich und immer voran auf gefahrvollen Patrouillengängen,
	        
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