Volltext: Die Zweierschützen im Weltkrieg 1914 - 1918 [H. 1] ([H. 1] / 1929)

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Die Fahrt war eine Jubelfahrt im wahrsten Sinne des Wortes. Hinein in die rosige österreichische 
Wirklichkeit durch eine Fülle patriotischer Idyllen von Linz bis Wien. 
Als ob sich die Enge des Heimatsortes in ein ganzes Land erweitert hätte und die Dorfstrasze mit 
ihren Abschied nehmenden Angehörigen und Bekannten mitfortgezogen wäre, war es jedem und allüberall. 
Das Volk war in der Gemeinsamkeit des Willens und Zieles eine große Familie geworden und 
begrüßte den Militärzug, ob er fuhr oder stand, am Bahnhöfe und am freien Felde. 
Von den Feldern eilten die Leute dem frohen Gejauchze im Soldatenzuge zu, schwenkten mit Hüten 
und Tüchern, warfen Blumen in die vorüberfahrenden Wagen, riefen laut ihre Segenswünsche den schei 
denden Männern entgegen und fanden lebhaftes Echo und begeisterte Erwiderung. 
Alte Volkslieder lebten wieder auf, gelangten zu neuer Bedeutung und erzeugten tausendfache 
Stimmungen. 
Die Marschmusik des Landwehrinfanterieregiments Linz Nr. 2 vor der Abfahrt in den Aufmarfchraum. 
Unter unaufhörlichem Sprudel von Scherzen und Lachen der Soldaten fuhr der Zug unter den Klängen 
der Bataillonsmusik durch die mit Blumen, Reisig, Fahnen und Wimpeln geschmückten Bahnhöfe, wo alt und ■ 
jung versammelt waren und ihm zujubelten, so daß die Soldaten mit gesteigerter Lebhaftigkeit von einem 
Empfange in den anderen gelangten. 
Und nie erschlaffte der Humor und die Frische ihres Gemüts; ja, die rührende Güte und aufopfernde Zärt 
lichkeit der Bevölkerung in den Haltestellen ließ ihre Herzen höher schlagen und ihre ganze Seele entfalten. 
Ergreifend war aber auch der Empfang, ergreifend die fürsorgliche Tätigkeit auf den Bahnhöfen, in 
denen der Zug Aufenthalt genommen hatte, und in Trunkenheit wurden sie gewiegt, als sie sahen, wie sich 
aller Hände in der Sorge um sie rührten, die zittrigen des alten Weibleins so gut wie die schwachen 
des Kindes. 
Unvergeßlich blieben die Bilder dem Beobachter in Erinnerung haften: Wie ein Greis mit Tränen 
in den Augen den Soldaten auf die Wagen hinauf Zigarren anbietet; ein Mädchen einem Burschen, der 
sich ihm entgegenneigt, eine Rose an die Brust steckt; einem andern, der aus der hinteren Ecke mit seinen 
lustigen Augen hervorlugt, Vergißmeinnicht entgegenfliegen; Frauen Äpfel und Birnen verteilen, erfiischende 
Getränke herumreichen; Kinder eine Unmenge Zigaretten verschenken und eine alte Dame süßes Backwerk 
denen, die ihr einsam oder gar zu lustig scheinen, zuschiebt. 
Und alles geschah mit einer sichtlichen Freude, keiner wurde vergessen und alles wurde gegeben und 
die Leute gaben freudig und gerne wie Kindern und Söhnen.
	        
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