Volltext: Zur Kenntnis der altd. litteratur

HOLTHAUSEN, ZU DE HEINRICO 
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wurde, möglich aber auch, dass sie zum ersten, vom mutterkloster gelieferten 
inventar gehörte. 
Jedesfalls war der codex mit dem gedichte schon in den ersten Zeiten des 
stiftsbestandes eigentum des klosters Baumgartenberg. In einem bibliotheks - kataloge 
dieses Stiftes (ed. Steinmeyer-Sievers, Ahd. Gll. IV, 1898), der sich im Cod. Cc VII, 7 
der Bibi. publ. in Linz eingetragen findet und von Th. Gottlieb, Über ma. bibliotheken 
(Leipzig 1890) in das 13. Jahrhundert gesetzt, aber noch dem ende des 12. jahrhunderts 
angehören wird, sind nämlich u. a. auch ‘Decreta Ivonis in uno volumine’ verzeichnet, 
worunter zweifellos die Pannormia Ivos von Chartres zu verstehen ist, in welcher 
der Joh. Bapt. steht. 
Ob nun das gedieht in Baum gartenberg erst eingetragen wurde, oder dort, wo 
die hs. früher war, entzieht sich unserer kenntnis. JedenfaUs wurde es nicht von 
einem ‘recht ungebildeten landgeistlichen’, wie Kraus will, sondern von einem mönche 
eines klosters des ‘grawen Ordens’ niedergeschrieben. 
URFAHR. DR. KONRAD SCHIFFMANN. 
Zum ahd. Heinrichsliede L 
V. 7fg. sind überliefert: 
hic adest Heinrich, bri(ngt) her hera huniglich; 
dignum tibi fore, thir selvemo %e sine. 
Ich schlage vor, lmniglich in huniling (—kunniling) ‘verwandter’ zu bessern 
und mit Priebsch 1 2 fore in foret; wenn wir daun thir als unbetonte nebenform von 
thar auffassen (vgl. thar v. 20, thir v. 21), hera als adverb ‘her’ ansehen und mit 
Schade 8 sine — sinne nehmen, so erhalten wir einen vorzüglichen sinn: ‘hier ist 
Heinrich, erbringt einen verwandten her; es würde dir geziemen, selbst da zu sein’, 
nämlich wo Heinrich und dessen verwandter sind. Jetzt wird auch die anrede ambo 
vos aequivoci 4 v. 13 verständlich, mit der kaiser Otto die beiden besucher anredet. 
Auf die schwierige frage, welcher Otto und welcher Heinrich gemeint sind, will ich 
hier nicht näher eingehen, sondern nur noch einige eigentümlichkeiten dieser stelle 
besprechen. [Vgl. noch Breul, The Mod. Quart, of Lang. & Lit. I, 42fg.] 
Wer an dem artikellosen huniling anstoss nimmt, kann in hera einen Schreib 
fehler für heran sehen 5 * , da bei einem zugefügten adjectiv das fehlen des artikels 
weniger anstössig sein würde; das müsste dann heissen: ‘er bringt einen vornehmen 
verwandten’. Hie Verschreibung fore für foret erklärt Priebsch sehr einleuchtend 
durch auslassung des t vor dem gleichen anlaut des folgenden thir; dass dies nicht 
wol = nhd. ‘dir’ sein kann, ist schon in den anmerkungen s. 100 von MS 4 D 3 mit hin- 
weis auf mi ‘mir’ v. 13 fg. und gi ‘ihr’ v. 14 begründet worden. Selvemo endlich 
erklärt sich durch syntactische attraction an tibi, vgl. aisl. hann baufi ßeim, at fara 
fyrstum und Delbrück, Vergl. syntax III, 19. 
1) Vgl. die litteraturangaben im Jahresbericht XX, s. 73fg. und XXI, s. 66. 
2) Deutsche handschr. in England I, 26. Ich war unabhängig von ihm auf 
denselben gedanken gekommen. 
3) Decas s. 7. Der dativ des ger. %e sinne = %e ivesenne erscheint nach Braune, 
Ahd. gr. 2 , § 378, anm. 1 schon bei Notker. 
4) Vgl. darüber Koegel, Gesch. d. d. litt. I, 2, 360. 
5) Schade (Decas) liest bruother hera ‘frater regius’. 
KIEL. 
F. HOLTHAUSEN.
	        
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