Volltext: Zur Kenntnis der altd. litteratur

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SCHIFFMANN 
im Cammerlander’schen verlag erschienenen büelier nötig. Wenzel hat in dieser hin 
sicht noch viel zu wünschen übrig gelassen. Vielleicht veranlassen diese zeilen einen 
jungen forscher, die frage einer gründlichen prüfung zu unterziehen, wozu mir leider 
zeit und gelegenheit fehlt. 
MÜNCHEN. 
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Zur kenntnis der altd. litteratur. 
A. Ein lied aus den Carmina Burana. 
Das lied, welches J. Huemer im Cod. Cc III, 9 der Bibi. publ. in Linz fand 
und in seinem 4 Iter austriacum’ (Wiener Studien IX 1887) 4 Abschied aus der heimat’ 
nannte, ist die n. 82 von Schmellers Carm. Bur. 
Der codex, in dem es eingetragen ist, war früher eigentum des 1107 ge 
gründeten, 1787 aufgehobenen Benedictinerstiftes GarsJen in Oberösterreich und ent 
hält von einer hand des 12. Jahrhunderts geschrieben eine mythologie ( 4 liber fabularum’), 
einen tractat 4 de figuris psalterii’, erörterungen 4 de posituris et distinctionibus, de 
barbarismis, de solecismo’ etc., einen 4 Remigius super Donatum’ u. a., woraus er 
hellt, dass die hs. schulzwecken gedient hat. 
Auf der zweiten Seite des letzten blattes, von dem etwas weniger als die untere 
hälfte weggeschnitten ist, steht das erwähnte lateinische gedieht von einer hand des 
13. Jahrhunderts eingetragen. 
Die Garstener Version weicht von der bei Schmeller abgedruckten Benedict- 
beurener und von der Stuttgarter (ed. G. Dreves in der Zs. f. d. a. 39 [1895], 363 aus 
einer hs. 4 I Asc. 95’ der kgl. handbibl. in Stuttgart, s. XIII) fassung nicht unerheb 
lich ab. 0. Hubatsch in seiner schrift über die lat. vagantenlieder des mittelalters 
(Görlitz 1870) und W. Wattenbach, Die anfänge lat. profaner rhythmen des mittelalters 
(Zs. f. d. a. 15 [1872]) haben darauf hingewiesen, dass die an verschiedenen orten ge 
machten auf Zeichnungen infolge nur mündlicher Überlieferung in so erstaunlicher weise 
auseinandergehen. 
Die letzte Strophe des Benedictbeurener textes fehlt in der Garstener hs. Der raum 
hätte zur eintragung noch gereicht, wurde aber durch andere lat. verse ausgefüllt, die 
ich hiehersetze: Benedicamus flori orto 
De styrpe dauid die hodierno, 
Quem produxit virga virgo Domino. 
0 Maria pia virgo, 
Que portasti alfa et cu, 
Voce clara cum iubilo 
Benedicamus Domino. 
Beachtenswert ist ferner, dass etwas über der ersten zeile des gedichtes am 
rande des blattes die zwei Worte 4 Dulce lignum’ mit neumen stehen. Es dürfte darin 
die angabe der melodie zu suchen sein, nach welcher das lied zu singen war. Da 
bekanntlich sehr viele profane rhythmen des mittelalters parodien der kirchlichen sind 
und ihre ausdrucksweise überall durchklingt, so deuten die worte 4 Dulce lignum’ wol 
auf einen kreuzeshymnus (Venantius Fort. ?), dessen rhythmus und melodie der profanen 
nachbildung untergelegt wurde, der uns aber leider nicht erhalten ist. 
Stimmt diese Vermutung, dann dürfte wol auch Burdachs meinung (Reinmar 
der alte und Walther von der Vogelweide, Leipzig 1880), dass zwischen der musik 
der weltlichen lieder und der geistlichen kunstmusik ein scharfer gegensatz bestanden 
A. L. STIEFEL. 
SS-
	        
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