Volltext: Österreichs Paddelsport 1960 (1960)

Herbert Gasselseder 
Die untere 
- Eine Flußwanderung nahe der Ostgrenze 
Ja so ein richtiger idyllischer Fluß, 
eingebettet in einer anmutigen Auland- 
schaft, vorbeifließend an alten ver¬ 
wunschenen Mühlen, an Wasserschlös¬ 
sern mit verwilderten Parkanlagen, an 
Ortschaften, die mit dem Leben und 
Wirken des großen österreichischen 
Tondichters Josef Haydn auf das engste 
verbunden sind,ist die Leitha. Als Was¬ 
serwanderer interessiert uns die untere 
Leitha, da sie ab Bruck nicht mehr 
verbaut ist und das ganze Jahr be¬ 
fahren werden kann. 
Bruck an der Leitha, diese uralte Gar- 
nisons- und Grenzstadt hat prachtvolle 
Barockkirchen, in denen Haydns sak¬ 
rale Werke anläßlich seines 150. Todes¬ 
tags zur Aufführung gelangten. Man 
erreicht Bruck sehr bequem mit dem 
Personenzug nach einstündiger Fahrzeit 
vom Wiener Südbahnhof aus. Vom 
Bahnhof hat man noch ca. 10 Minuten 
in Richtung Parndorf zur Reichs¬ 
straßenbrücke zu karren, wo ein 
schöner Rasen eine ideale Unterlage 
für den Aufbau des Bootes bildet. 
Hier in Bruck merkt man der Leitha, 
die ein rechter Nebenfluß der Donau 
ist, es gar nicht an, daß sie Wildwasser 
in ihren Adern hat! Sie ist ein Kind 
der am Unterberg entspringenden 
Schwarza, die durch das wildroman¬ 
tische, aber verblockte Höllental fließt, 
welches zu beiden Seiten Felswände, 
bis zu 1000 m Höhe, aufweist. Seitdem 
Robert Kronfeld, der unvergeßliche 
österreichische Segelflugpionier, die 
Schwarza mit dem Faltboot bezwang, 
hat sich die Schwarza die Herzen der 
Wiener Faltbootgemeinde erobert. Doch 
über die Schwarza, wo man eine Wild- 
wasscrfahrt mit einer rassigen Schi¬ 
abfahrt, von Rax oder Schneeberg aus, 
verbinden kann, will ich ein andermal 
berichten. 
Zurück zur Leitha: Ihr zweiter Nähr¬ 
vater ist die vom Wechsel kommende 
Pitten, deren Wellen jedoch noch nie 
ein Faltboot getragen haben. Pitten und 
Schwarza vereinigen sich bei Erlach 
und bilden die Leitha, die nach einem 
Lauf von 178 km — von der Quelle der 
Schwarza gemessen — bei Ungarisch- 
Altenburg in den Wieselburger Arm der 
Donau mündet. 
Auch die obere Leitha ist ab Wampers- 
dorf reizvoll. Doch wird sie von der 
Wiener Faltbootzunft nur im Frühjahr, 
nach der Schneeschmelze befahren, da 
ihr zahlreichen Mühl- und E-Werks- 
kanäle das Wasser entnehmen. Es em¬ 
pfiehlt sich daher in Bruck einzusetzen. 
Das Einsetzen unterhalb der Reichs¬ 
straßenbrücke ist sehr leicht und trok- 
kenen Fußes möglich. Kaum , daß das 
Boot in Stromrichtung gesteuert wurde 
ist man an der Mündung des E-Werks- 
kanal angelangt; die Wasserführung 
wird beträchtlich stärker, von nun an 
braucht die Leitha keine Turbinen und 
Mühlen treiben. 
Hinter der nächsten Biegung — deren 
es sehr viele gibt — sind wir in die 
Gefilde Arkadiens eingedrungen. Traum¬ 
haft schön wird sie jetzt unsere Leitha! 
Der dichte parkartige Auwald mit sei¬ 
nen hohen Platanen, Ulmen, Linden 
und Weiden, die vielen Wildenten, das 
majestätische Gleiten der Grau- und 
Silberreiher, die vielen romantischen 
Holzbrücken — das alles sind Ein¬ 
drücke, die sich nur dem Wasserwan¬ 
derer eröffnen! 
Und doch ist die Leitha kein gewöhn¬ 
licher Aulandfluß wie es etwa der un¬ 
tere Kamp ab Hadersdorf oder die 
untere Thaya ab Berhardsthal ist! Auch 
heute noch merkt man, daß am rech¬ 
ten Ufer der Osten beginnt. Bildete 
doch die Leitha die historische Grenze 
zwischen Österreich (Cisleithanien) und 
Ungarn (Transleithanien). Die Nym¬ 
phen der Leitha könnten viel erzählen. 
So von den römischen Legionären, die 
auf dem Marsch nach Carnuntum auf 
der Bernsteinstraße dem Laufe der 
Leitha folgten. Oder von den Hunnen, 
die auf kleinen zottigen Pferden sen¬ 
gend und brennend in das Abendland 
einfielen. Aber auch die Türken und 
die Landsknechte Torstensons im 30- 
jährigen Krieg überschritten die Leitha. 
Genug von den Bildern des Krieges 
und der Zerstörung! Auch Haydn und 
Gluck trafen sich an ihren Ufern bei 
Mannersdorf (flußaufwärts von Bruck). 
Diese Begegnung, die für beide Teile 
befruchtend wirkte, ist einem schönen 
Denkmal für die Nachwelt festgehalten 
worden. 
Ein mächtiges Brausen weckt uns aus 
unserem Gedankenflug, wir nähern uns 
dem Wehr von Rohrau. Schnell wird 
die Paddeljacke in die Spritzdecke 
eingeklemmt und dann geht es bei 
reichlichem Wasserstand in sausender 
Fahrt das Wehr hinunter. Mitten 
hinein in die gischtumtobten Wellen 
wird das Boot gesteuert, das sich wie 
ein Mustang aufbäumt — einige kräf¬ 
tige Paddelschläge, und schon sind 
wir im Kehrwasser. 
Es lohnt sich hier anzulegen, denn 
keine 10 Minuten sind zu gehen und 
wir stehen ergriffen in dem einfachen 
Haus in Rohrau, in welchem Josef 
Haydn geboren wurde. Sehr sehenswert 
sind auch das Wasserschloß und der 
Ortsfriedhof auf dem Haydns Eltern 
begraben sind. 
So ein Fluß ist doch ein merkwürdiges 
Gebilde! Keine fünf Kilometer entfernt 
fließt an Carnuntum vorbei Mutter 
Donau aber unsere Leitha, dieses eigen¬ 
willige Kind, denkt nicht daran ihr auf 
dem kürzesten Wege entgegenzufließen! 
Eine Laune der Natur? Keineswegs, 
denn hier entstand als letzte große 
Folge der großen Erdkrustenbewegung 
eine Senke, die zur Trennung der Alpen 
und Karpathen führte. Diese Senke 
wurde von dem Vorläufer der Donau 
am Ende der Terziärzeit (Pleiostozän) 
benützt und mit Flußablagerungen, 
Sand und Schotter ausgefüllt. Die 
Leitha hat diese Anschüttungen in einem 
scharfen Knie nach dem Osten durch¬ 
brochen und mündet erst 37 Kilometer 
weiter östlich in die Donau. 
Pans Mantel hat sich wieder über uns 
gebreitet. Bilder tun sich vor uns auf, 
so wie ein Rubens oder ein Ruysdal die 
Flußlandschaft sahen. Vorbei geht es 
an kleinen Ortschaften, wie Deutsch 
Haslau und Potzneusiedl, die in keinem 
Fremdenverkehrsprospekt aufscheinen 
und dennoch reizvoll sind. Langsam 
nähern wir uns dem Wehr von Gatten¬ 
dorf, welches wir besser am rechten 
Ufer umtragen. Das Befahren dieses 
Wehres bleibt nur Falbootkünstlern 
Vorbehalten. 
Gattendorf, diese langgestreckte Ort¬ 
schaft hat ein altes Schloß in einem 
verwilderten Park und kann nicht ver¬ 
leugnen, daß es einst Sitz eines Mag¬ 
naten war. Für jene, die das Vogelpara¬ 
dies am Neusiedlersee besuchen wollen, 
empfiehlt es sich das Boot hier abzu¬ 
bauen um mit dem Bus die Fahrt nach 
Neusiedl anzutreten. 
Unsere Fahrt geht entlang der Mauer 
des Schloßparks; ein kleiner Bub 
läuft mit uns um die Wette, ein Holz¬ 
steg wird durchfahren, auf dem sich 
die Dorfjugend versammelt und uns 
bestaunt. Kein Wunder, wo die untere 
Leitha zu Unrecht von der Wiener Falt¬ 
bootgemeinde so stiefmütterlich behan¬ 
delt wird! Hinter der Schloßmauer 
offenbart sich uns ein neues Bild - „Die 
Puszta" ! Unendliche Weite tut sich auf 
und zu unserer Linken heben sich am 
Horizont die Hainburger Berge und 
die kleinen Karpathen ab. Auf den 
Wiesen tummeln sich ungarische Halb¬ 
blutpferde mit ihren Fohlen. DerCsikos 
raucht versonnen sein Tonpfeifchen und 
läßt die Peitsche gegen den Himmel 
knallen. Vor uns schwimmen große 
Gänsekompagnien, schön ausgerichtet 
in Reih und Glied. Wir umfahren 
rechts eine kleine Grasinsel, groß genug 
um ein Zelt aufzustellen! Dann unter¬ 
fahren wir eine Eisenbahnbrücke, die 
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ÖSTERREICHS PADDELSPORT 1-2/1960
	        
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