Volltext: Österreichs Paddelsport 1960 (1960)

So hatten wir das „Elefantenbaby". 
Plump und unbeholfen ging er mit der 
ihm eigenen Eleganz immer wieder auf 
der selben Stelle „baden“. Der „Haut¬ 
schinder" vollbrachte das Kunststück, 
fast bei jeder Fahrt einige Löcher in 
die Haut zu fahren, egal ob es sein 
eigenes oder ein ausgeborgtes Boot war. 
„Tarzan“, der sein Boot bei einer Ken¬ 
terung schwimmen ließ, mit pracht¬ 
vollem Kraulstil das nahe Ufer suchte 
und das Bergen des Bootes anderen 
überließ. Schließlich hatten wir einen 
„Patienten“, unseren Kollegen Zwettler, 
der immer wieder umzukippen drohte, 
doch immer durchkam und nichtwußte, 
wie. Besorgt sah Leo dessen Treiben zu 
und meinte nachdenklich: „aus dem 
Patienten wird nie ein Faltbootfahrer 
werden". Gleichsam allen zum Trotze, 
die nicht an ihn glauben wollten, ge¬ 
schah das Unerwartete. Durch die 
Freude, die ihm das Wildwasserfahren 
bereitete, durch Training auf der hei¬ 
mischen Traisen, wurde er nicht nur 
ein guter, sondern ein zünftiger Wander¬ 
fahrer, der es auch nicht scheute, selbst 
bei der Salza-Regatta die Nennung ab¬ 
zugeben. 
Doch auch die anderen Flüsse blieben 
ihm nicht unbekannnt. Als wir voriges 
Jahr auf der Steyr und Teichl waren, 
trafen wir ihn in Klaus. Mit einer 
Gruppe kam er von der Alm hierher. 
Voll Begeisterung hatten sie uns von 
dem Wehrfahren auf der Alm erzählt. 
Da ich schon lange hin wollte, beschlos¬ 
sen wir, eine Almfahrt zu organisieren, 
die heuer im Mai gestartet ist. 
Drei Mann fuhren wir mit dem Auto 
von Wien nach St. Pölten. Um 21 Uhr 
führte uns Karl (Zwettler) in das 
Bootshaus in dem wir übernachteten. 
Das Haus konnten wir erst in der Frühe 
richtig bewundern. Es gleicht einem 
Einfamilienhaus und wurde mit sehr 
viel Mühe erbaut. Leider ging ihnen 
jetzt das Geld aus und so hoffen sie 
im Stillen auf einen unerwarteten Zu¬ 
schuß von irgend einer Seite, der es 
ermöglicht, den Bau zu vollenden. Es 
wäre ihnen zu wünschen, damit sie die 
Gastfreundlichkeit, die sie uns bewiesen, 
auch weiterhin pflegen können. Mit 
Karl als Führer surrten wir die Land¬ 
straße unserem Ziel entgegen. 
Steeg! Die Alm! Kristallklar ist das 
Wasser und die Wehre sind gut über- 
ronnen. Karl meinte, gegenüber dem 
vorigen Jahr sei jetzt direkt Hochwasser. 
Ein Wagen wurde abgestellt und mit 
Karls V.W.-Schnauzer fuhren wir zum 
Almsee. Weißbedeckte Gipfel vom 
Toten Gebirge grüßen uns Wasserratten 
im Tal. Sie lächeln auf uns herab, als 
wollten sie sagen: „Na, wie haben wir 
das gemacht, gut? Ein wenig schwitzen 
in der Maisonne und ihr habt Wasser 
genug". 
Bei der Seeklause wurde aufgebaut und 
schon ging es munter weiter. Kleine 
Schwälle, verrammelte Stellen, Flu߬ 
rinne suchen, das war unsere Beschäf¬ 
tigung. Und schon tauchten die ersten 
Wehre auf. Kleine Rutschen, so richtig 
zum Einfahren. Eine kleine Notlandung 
mußten wir vornehmen, als Georgs 
Boot ein Loch bekam. Auf einer Nar¬ 
zissenwiese wurde geflickt, dann ging 
es weiter bis zur Kirchmühlwehr in 
Grünau. Wir stiegen aus, nahmen die 
Fotoapparate und Filmkameras mit, 
dann wurde das Wehr besichtigt. Sach¬ 
kundig erklärte uns Karl, wo das Wehr 
zu fahren sei. Wir nahmen Aufstellung 
und warteten gespannt, bis er auf der 
Wehrkrone auftauchte. Jetzt! Das Boot 
kippte über die Wehrkrone, legte sich 
auf die Wehrbretter, durch war er. Wir 
schossen aus allen Objektiven, was nur 
Platz hatte, wollten wir doch gute 
Bilder nach Hause bringen. Das Spiel 
wiederholte sich, bis wir alle unten 
angelangt waren. Die Sonne meinte es 
gut mit uns. Sie spendete wohltuende 
warme Strahlen aus, die wir dankend 
entgegennahmen, genau so, wie die 
freundlichen Abschiedsgrüße von et¬ 
liche Zuschauern, denen dieses Schau¬ 
spiel wohl ein unvergeßliches Erlebnis 
bleiben wird. 
Weiter ging der Weg von Wehr zu Wehr. 
Anfangs wollten wir die Wehre zählen, 
doch bald gaben wir es auf, so viele 
waren es. Bevor wir diesen Tag been¬ 
deten wurden wir noch einmal kräftig 
eingeweicht und es wurde empfindlich 
kalt. Wasser von oben, Wasser von 
unten, so fuhren wir den letzten Wehren 
entgegen. Als mir nach einer Durch¬ 
fahrt die Spritzdecke eingedrückt 
wurde, und ich wie in einer Badewanne 
im Boot saß. da schloß ich mich 
meinen drei, schon vor Kälte klap¬ 
pernden Freunden an, und klapperte 
fleißig mit 
Bei leichtem Regen stiegen wir in Steeg 
aus. Unsere nassen Klamotten unterm 
Arm, so erschienen wir im Gasthof 
Heillinger, wo uns die Wirtin sofort ein 
kleines Gastzimmer zur Verfügung 
stellte. Der Wirt hatte im Ofen einge¬ 
heizt, damit wir uns aufwärmen konn¬ 
ten. Selten habe ich bei meinen Wan¬ 
derungen so fürsorgliche Leute getrof¬ 
fen wie hier. Was einmal die Dietzmut- 
ter im Gesäuse für die Bergsteiger war, 
ist Mutter Heillinger für die Faltboot¬ 
fahrer auf der Alm. Alle kennt sie, die 
einmal auf der Alm und bei ihr waren, 
sie fragt gleich nach, was mit dem und 
jenem ist, ob er auch wieder kommt. 
Bezüglich der guten Wehre weiß sie ein 
Loblied zu singen. Sie trauert zugleich 
mit uns, daß uns die Arbeiter, die die 
Steinwehre gebaut hatten, nicht einmal 
eine einen Meter breite Durchfahrt ge¬ 
lassen haben, durch die wir durch¬ 
rutschen könnten. Darum, kommst Du 
einmal hier vorbei, versäume es nicht, 
hier Rast zu machen. Es gehört fast zur 
Almtradition. Vergiß auch nicht, dich 
in das Paddlerbuch einzutragen, es ist 
der Mutter ihr Heiligtum. 
Am nächsten Tag ging es weiter. Bei 
herrlichem Wetter fuhren wir los. Jetzt 
ging es nicht mehr so schnell, denn es 
mußten die Steinwehre übertragen 
werden. Obwohl dieser Steinhaufen von 
den Weisem schon befahren wurde ist 
von der Durchfahrt abzuraten, denn 
hier hat schon manches brave Boot das 
Ende gefunden. Es folgten einige 
schöne Wehre, dann kam die Brücke, 
wo die Autobahn die Alm überquert 
und nachher ein Wehr. Die rechte Seite 
der Anlage ist unfahrbar und die linke 
ziert ein Fünfstufenwehr. 
Hier, meinte Karl, haben wir die Boote 
immer übertragen, doch heute sind die 
Stufen überronnen. Länge standen wir 
an der Seite und freuten uns über das 
glitzernde Schauspiel vor uns, da 
meinte Karl: „Eigentlich müßte es 
heute gehen, ich fahre". Und Wir foto- 
graphierten. Wir nahmen Aufstellung 
und schon kam der Bug hoch über 
unseren Köpfen zum Vorschein. Ein 
kurzes Tasten, dann neigte sich das 
Boot, plumpste über die erste und 
zweite Stufe, dritte, vierte, fünfte 
folgten, und war wohlbehalten unten 
angekommen. Ermutigt durch diese 
Fahrt fuhren auch wir. Besorgt beob¬ 
achtete ich Walters Boot, das sich wie 
ein Schanierband über die Stufen 
schob, doch nichts war geschehen. 
Auch mir ist es nicht anders ergangen. 
Die ersten Stufen konnte ich noch 
zählen, dann kam ein dreimal kurzes 
Rütteln und ich landete mit einem 
Plumps im tiefen Wasser. Georgs Boot 
brach sich leider das Rückgrad und wir 
mußten zwei Weidenstäbe einziehen, 
um es wieder flott zu machen. Vor uns 
lagen noch die Flugwehre, auf die woll¬ 
ten wir nicht verzichten. Wir tauften 
diese Wehrstiege das Fünfleidenwehr, 
denn fünfmal muß das Boot leiden, 
bevor es das tiefe Wasser erreicht. 
Karl meinte, „wer weiß, ob wir nicht 
die Ersten sind, die dieses Wehr be¬ 
fuhren“. 
Nach kurzer Fahrt hatten wir das erste 
Überfallwehr erreicht. Senkrecht stürzt 
das Wasser etwa 1.80 Meter in die Tiefe. 
Das Wehr scheint unfahrbar zu sein. 
Und es war es auch, bis ein gut auf¬ 
gelegter Fahrer sich sagte: „Was die 
Skispringer fertigbringen, das kann 
ich auch". Er sprang und es gelang. 
Seit der Zeit gibt es auf dem Wasser 
ein Faltbootspringen. Karl fuhr wieder 
vor und wir beobachteten, was ge¬ 
schehen würde. Anlauf, Absprung, Flug, 
Landung und rausziehen aus den Wir¬ 
beln war alles was er tun mußte. Es 
kommt nur darauf an, die Fahrt bis 
zur Wehrkrone zügig durchzuführen 
und nicht zögern, ins Ungewisse zu 
fahren. Alles andere kommt von selbst. 
Beim ersten Flugwehr hatten wir leises 
Bedenken, doch auf die beiden anderen, 
die etwas niederer sind, freuten wir uns 
schon. 
Leider war nachher auch unsere schöne 
Fahrt zu Ende und wir mußten von der 
Alm Abschied nehmen. 
ÖSTERREICHS PADDELSPORT 12/60 
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