Volltext: Österreichs Paddelsport 1960 (1960)

H. Kanngießer 
Internat. Wildwasser-Woche in Großreifling 
Die vom TVN alljährlich veranstaltete 
Wildwasser-Woche in Großreifling ist 
zu einer ständigen Einrichtung ge¬ 
worden. Daß sie nicht nur von den 
österreichischen Paddlern, sondern 
auch von ausländischen Sportkame¬ 
raden hoch geschätzt wird, beweist 
ein Bericht eines Paddlers aus 
Deutschland, den wir dem „Kanu- 
Sport" entnehmen: 
Vom 31. Juli bis 6. August 1960 wurde 
in Großreifling von der „Touristenver¬ 
einigung die Naturfreunde“ in Öster¬ 
reich im Auftrag des Österreichischen 
Paddelsportverbandes (ÖPV) die dies¬ 
jährige Internationale Wildwasserwoche 
durchgeführt. 
Die Veranstaltung begann am Sonntag¬ 
vormittag mit einer kurzen Eröffnungs¬ 
feier auf dem Zeltplatz in Großreifling 
an der Enns, bei der Sportkamerad 
Zimbelius als Leiter der Wilwasser- 
woche die Teilnehmer begrüßte und 
den Zweck der Veranstaltung heraus¬ 
stellte. Sie sollte den unerfahrenen Was¬ 
serwanderer unter fachmännischer Lei¬ 
tung an den Wildwassersport heran¬ 
führen und gleichzeitig den schon 
fortgeschrittenen Fahrer weiterbilden. 
Der Dank an die unterstützenden Stel¬ 
len wurde vom Bürgermeister Gro߬ 
reiflings erwidert, der in seiner Begrüs- 
sung erkennen ließ, daß die Paddler 
hier stets gern gesehene Gäste seien. 
Gleichzeitig mit der Internationalen 
Wildwasserwoche, die alle Mitglieder 
der Internationalen Canoe-Föderation 
(also alle DKV-Mitglieder) besuchen 
konnten, lief von Seiten des ÖPV ein 
Lehrgang für Lehr- und Tourenwarte, 
die bei den Führungsfahrten im Rahmen 
der Wildwasserwoche ihr Können unter 
Beweis stellen mußten. Diejenigen, die 
hierbei die Befähigung als Touren- oder 
Lehrwartanwärter erbracht hatten — 
wobei auch schriftliche Arbeiten zum 
Prüfungsprogramm gehörten —, wurden 
am Schluß der Wildwasserwoche in 
feierlicher Form ernannt. 
Bei der Teilnahme an der Internatio¬ 
nalen Wildwasserwoche ließ man sich 
gegen eine Gebühr von 5,00 öS regi¬ 
strieren und konnte dann an allen 
Führungsfahrten teilnehmen, wobei 
man sich am Ende des Vortages jeweils 
in eine der ausliegenden Listen ein¬ 
tragen mußte, aus denen man den 
Leiter der Fahrt, die Fahrtstrecke, die 
Abfahrtszeiten, Fahrtweisungen usw. 
ersehen konnte. 
So gab es beispielsweisen Enns-Fahrten 
nach Kleinreifling oder Weißenbach, 
auf denen der Schwierigkeitsgrad III 
niemals überschritten wurde. Trotzdem 
bot sie mit der berüchtigten „Kripp" 
sowie einem großen Wirbel mit der 
nachfolgenden Felsenenge, die den be¬ 
ziehungsreichen Namen „Hirschen- 
sprung" trägt, herrlichstes Wildwasser. 
Dazu muß man einige Schwälle erwähnen 
wie das „Sauloch", den „Wildling“ und 
den „Jägerreit". Leider wurde die Fahrt 
durch das gerade fertiggestellte Kraft¬ 
werk im Altenmarkter Kessel beein¬ 
trächtigt, da das Umtragen am linken 
Ufer nicht gerade bequem war. Die 
Rückfahrt geschah dann mit der Bahn, 
wobei die Boote aufgebaut von einem 
Güterwagen transportiert wurden. 
Die nächste Fahrtmöglichkeit ließ sich 
mit der vorigen kombinieren. Es war 
die sogenannte „Höllfahrt“, bei der 
man mit dem Zug am Startplatz vorbei 
bis Hieflau fuhr. Hier wurde dann 
eingesetzt, und man konnte eine rasante 
Viererstrecke fahren, bei der auf etwa 
10 Kilometer ein Schwall den anderen 
ablöste. Alle diese Schwälle haben 
klingende Namen wie „Hieflauer Höll", 
„Lawinenschwall", „Landl-S", „Eisen- 
bahnbrückenschwall“ mit „Eisenbahner¬ 
loch“, „Kameradensteine" usw. Diese 
Schwälle forderten auch bei uns laufend 
ihre Opfer, und manch ein Fahrer ging 
trotz größter Aufmerksamkeit mehr¬ 
mals baden. Bis auf wenige Ausnahmen 
konnten die Boote stets schnell und 
reibungslos geborgen werden. Vom 
Umschmiß über das Bergen und Ent¬ 
leeren bis zum Weiterfahren vergingen 
oft kaum 3 Minuten. Allerdings war ein 
tadelloser Zustand des Bootes und Zu¬ 
behör hierfür Voraussetzung. Als ein 
Kamerad nur eine morsche Strippe als 
Kenterschlaufe am Boot hatte und 
außerdem nur ein Spitzbeutel aufge¬ 
blasen war, hätte nicht viel gefehlt und 
das Boot wäre für immer verloren ge¬ 
wesen. Mit Recht wurde er deshalb 
getadelt, gefährdete er doch nicht nur 
sich selbst, sondern auch die Bergungs¬ 
mannschaft. Davongeschwommene Ba¬ 
dehosen und Büstenhalter als Folgen 
einer Kenterung waren von harmloser, 
dafür aber um so lustiger Natur. Nur 
gut, daß das Kaufhaus Keller auf Grund 
jahrelangen Umgangs mit Paddlern auf 
derartige Ereignisse eingerichtet ist. 
Eine ganz andere, aber sehr beliebte 
Möglichkeit des Fahrtenprogramms der 
Wildwasserwoche war die „Gesäuse¬ 
fahrt". Schon früh mußten hier die 
Teilnehmer aufstehen, denn gegen 6 Uhr 
fuhr die Fahrtengruppe mit der Bahn 
nach Selzthal, wohin die Boote schon 
am Abend vorher vorausgeschickt wor¬ 
den waren. Bei der Fahrt durch das 
Gesäuse war es dann immer ein Wunder, 
daß der Zug nicht entgleiste, rannten 
doch die Paddler immer dorthin, wo 
sie den Fluß sehen konnten. Lebhaft 
wurden die Fahrtmöglichkeiten begut¬ 
achtet, geprüft, verworfen, Erfahrungen 
ausgetauscht, Vergleiche aufgestellt — 
-eben fachgesimpelt. 
In Selzthal konnten die Boote in den 
am Bahnhof vorbeifließenden Palten- 
bach eingesetzt werden, der nach we¬ 
nigen Kilometern in die Enns mündet, 
die hier sehr ruhig und glatt ist, trotz¬ 
dem aber sehr schnell fließt. 
Vor dem Bug sah der Paddler die alles 
beherrschenden Gesäuseberge mit der 
Hochtorgruppe. Links begleiteten die 
Hallermauem und rechts die Abhänge 
des Reichenstein seinen Weg. In sei¬ 
nem Rücken türmte sich der Grimming 
auf. Eine wunderbare Landschaft, die 
der Fluß viel zu schnell durcheilt. Nach 
ungefähr zwei Stunden wurde das Tal 
enger und enger, und bald meldete 
sich mit immer lauter werdendem 
Rauschen der Gesäuseeingang. Uber ihn 
zu schreiben hieße Eulen nach Athen 
tragen. Am Bahnwächterhaus wurde 
nun gelandet, um die 500 Meter lange 
Eingangsstrecke zu umkarren. Die Ein¬ 
satzstelle dann hatte urwaldähnlichen 
Charakter. Dichtes Unterholz und dicke 
Felsblöcke verlangten fast artistische 
Begabung, um die Boote wieder in das 
Wasser zu bekommen. Die folgende 
Flußpartie ist wohl eine der schönsten, 
die der Wasserwanderer zu sehen be¬ 
kam. Zwischen 2000 Meter hoch auf¬ 
strebenden Felswänden sausten die 
Boote auf klarem Wasser dahin.— Nun, 
beschreiben kann man das nicht, man 
muß es erleben! — Fahrtechnischer 
Höhepunkt dieser Strecke war zweifel¬ 
los die Gstatterbodener Stufe, die vor 
der Befahrung von vielen erst sorgfältig 
besichtigt wurde. Danach waren es 
dann nur noch wenige hundert Meter 
über den Stausee von Gsatterboden 
zum Landeplatz. Mit einem VW-Bus 
wurde die unfahrbare Strecke Kummer¬ 
brücke — Hartlesgraben umfahren. Je¬ 
weils sieben Boote und Fahrer trans¬ 
portierte der Wagen von hier aus nach 
Hieflau, von wo es dann in Schußfahrt 
nach Großreifling zurück ging. Wer das 
Zeug dazu in sich hatte, konnte schon 
vorher unterhalb der Hartlersgraben- 
Brücke einsetzen, um noch den „Wäch- 
terschwall“ und einige andere Fünfer 
zu fahren. 
Wieder eine ander Fahrtroute bot die 
Steirische Salza, von der viele Paddler 
behaupten, sie sei der schönste Fluß 
Österreichs. Es ist völlig gleich, ob der 
Wildflußfahrer seine Fahrt in Brunn, 
Wildalpen oder Palfau beginnt, der 
Fluß wird ihm jedesmal ein großartiges 
Erlebnis bescheren. Auch hier ist es 
müßig, Einzelheiten der Natur schildern 
zu wollen. Bessere Erzähler haben den 
Fluß mit seinen tiefen Schluchten von 
Eiszeitschotter gebührend gepriesen. 
Nur der „Salzarechen“, eine wuchtig 
überspülte schräge Felsbarre, soll noch 
erwähnt werden. Es ist die letzte und 
und schwerste Prüfung für den Salza¬ 
fahrer. Die hier stets zu erwartenden 
Umschmisse lockten dann auch viele 
Zuschauer an, und fast immer konnte 
man hier Foto- und Schmalfilmama¬ 
teure am Werk sehen. Von hier waren 
ÖSTERREICHS PADDELSPORT 12/60 
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