Volltext: Österreichs Kanusport 1979 (1979)

fes Tosen und Donnern, der Wasserspiegel reißt ab und 
feiner Wasserstaub liegt in der Luft. 
Über zwei Stufen stürzt das Wasser über fünf Meter in 
eine enge Felsschlucht hinab, die nachfolgenden zweihun¬ 
dert Meter sieht man nur weiße Gischt, Walzen und hohe 
Wellen. An der engsten Stelle überquert ein Maultiersteg 
den Fluß. Dort bereiten Pit und ich die Seilsicherung für 
Andy vor. 
Der „Brückenkatarakt" stürzt über 5 m hinunter. 
Während wir Wurfseile und Kameras auspacken, spricht 
sich die Nachricht herum, daß hier seltsam angezogene 
Leute in kleinen Booten den Fluß herunterkommen. Das 
ganze Dorf ist am Ufer versammelt, auch von den Schlucht¬ 
rändern schauen Leute herunter. 
Andy fährt den Abfall ganz links an, taucht unter und wird 
in der ersten Stufe ans rechte Ufer geschleudert. Aber 
schon zieht ihn die Strömung den zweiten Abfall hinunter. 
Er taucht völlig unter, das Wasser zerrt am Kajak, will 
ihn nicht loslassen, bis er plötzlich aus der Walze heraus¬ 
katapultiert wird und sich am anderen Ufer wiederfindet. 
Nur mit ein paar kräftigen Ziehschlägen kann er sich vom 
Ufergestrüpp in die Flußmitte ziehen, da ist der schwie¬ 
rigste Teil auch schon geschafft und erschöpft legt er 
gleich darauf unter dem Mulisteg an. 
Ein sehr alter Neger spricht mich an. Zu einer zerschlis¬ 
senen, oliven Militärhose trägt er einen weißen Turban, 
der sich von dem fast schwarzen Gesicht abhebt, in ge¬ 
brochenem Französisch erklärt er, er wäre krank im Bauch, 
ob ich nicht etwas Medizin hätte. 
Während ich in der Bordapotheke nach etwas Passendem 
suche, ruft er einige Worte nach oben, zu den Lehm¬ 
hütten. Kurz darauf bringt ein Junge ein Tablett mit einer 
Kanne voll dampfenden Pfefferminztee und einen noch 
heißen Laib Maisbrot. 
Ich habe einige Tabletten gegen Durchfall herausgesucht 
und erkläre, daß er dreimal täglich eine nehmen soll. 
„O. k. Johnny“, meint er. Erst mal sind wir baff, aber dann 
müssen wir laut loslachen. Er grinst mit, nickt und meint 
nochmal „O, k. Johnny, o. k. Johnny“ . . . Und so haben 
wir ihn dann auch „getauft“. Früher war er bei der Frem¬ 
denlegion, erzählt er. 
Zusammen mit den Leuten studieren wir unser Karten¬ 
material und wollen einfach nicht glauben, daß wir bis 
jetzt erst sechs, höchstens sieben Kilometer gefahren sind 
und noch vierzig Kilometer vor uns haben. 
Sollen wir uns zurück zum Auto durchschlagen und neue 
Lebensmittel nachholen? Aber wenn wir uns einschrän¬ 
ken, müßte es auch so gehen. Möglicherweise können wir 
auch hier etwas Brot kaufen. Ein Trost ist, daß der Fluß 
leichter werden soll. Allerdings sollen wir aufpassen, nach 
ungefähr drei Kilometern kommt noch einmal eine sehr 
schwere Stelle. 
Wir fragen, ob wir sechs Brote kaufen können, aber eine 
verneinende Gebärde ist die Antwort. So viele Brote haben 
sie nicht. Ein Junge zeigt mir den Weg zu einer Quelle, 
wo wir unsere Feldflaschen auffüllen können. Das Wasser 
verschwindet in einer kleinen Hütte, vor der ein zwölfjäh¬ 
riges Mädchen sitzt und Maiskörner sortiert. In dem klei¬ 
nen Häuschen treibt das Wasser einen Mühlstein an; hier 
wird der Mais des ganzen Dorfes gemahlen. 
Wir sind gerade beim Boote packen, da wird uns aus 
jedem Häuschen ein Laib Maisbrot gebracht. Mit den vier 
Laibern ist uns gut geholfen, aber Geld wollen die Leute 
nicht annehmen. Da wir im Kajak keine Gastgeschenke 
dabei haben, wird improvisiert: ein Teller (wir werden uns 
schon zu helfen wissen), ein Kugelschreiber und die Ver¬ 
sicherung, die hier gemachten Fotos zuzuschicken. 
Mit der angekündigten, gefährlichen Stelle im Nacken 
paddeln wir zügig weiter, um das relativ einfache Wasser 
auszunutzen und Kilometer zu machen. Der Rbia hat hier 
ungefähr den Charakter der oberen Ammer, nur daß es 
nicht eine „Scheibum“, sondern recht viele gibt. Auch die 
einzelnen schwereren Stellen paddeln wir beschwingt 
durch. 
Der braune Lehm hat schwarzem Basalt Platz gemacht. 
Auf einem dieser Blöcke sonnen sich zwei Wasserschild¬ 
kröten und rühren sich nicht von der Stelle, so nah wir 
auch im Kajak vorbeigleiten. Aber im selben Moment, in 
dem ich aussteige, um wenigstens eine zu fangen, sind 
sie schon in der weißen Gischt des Rbia verschwunden. 
Moustache winkt, wir sollen auf ihn warten. Sein Kajak ist 
leck, er fährt schon mehr unter als über Wasser. Und da 
es schon dämmrig wird, sehen wir uns nach einem Lager¬ 
platz um. 
Die Ufer sind flach und sandig, oben auf den Hügeln 
stehen einige, kleine Lehmhäuschen. Am rechten Ufer fin¬ 
den wir hinter den Weiden und Oleanderbüschen ein 
ebenes Plätzchen. Aber Holz ist keines zu finden, wahr¬ 
scheinlich haben es die Leute hier gesammelt. Am anderen 
Ufer hat Andy ein ebenso schönes Fleckchen gefunden, 
dort gibt es auch mehr Holz. So zwängen wir uns noch¬ 
mal in den Kajak. Die Krebse, die wir auch hier gefangen 
haben, werden in einem Turnschuh verstaut, obendrauf 
kommt ein Neoprensocken, daß sie uns nicht entwischen 
kennen. 
Mittlerweile hat sich die Kunde von den seltsamen Frem¬ 
den auch hier herumgesprochen. Vom anderen Ufer aus 
beobachtet uns eine Schar Kinder, nach und nach treffen 
auch die älteren Leute ein und beginnen zu singen und 
zu trommeln. Ein richtiges kleines Volksfest beginnt. 
Andy legt die Feuergrube an, baut einen Luftschacht, den 
er mit flachen Steinen abdeckt und bereitet alles für unser 
Krebsessen vor. 
Unsere Speckschwarte brutzelt über der Glut und das Tee¬ 
wasser beginnt gerade zu sieden, da hören wir Rufe von 
drüben. Der Bürgermeister bietet uns Brot an. 
Also steige ich nochmal in die nasse Badehose und paddle 
hinüber. Das „Ashi, Ashi“ der Leute weist mir den Weg. 
Vom Boot aus nehme ich dankend die beiden Laibe Brot 
an, unterhalte mich noch ein bißchen mit den Leuten und 
versuche herauszubekommen, wo wir sind, wie der wei¬ 
tere Flußverlauf ist und wie lange wir wohl noch nach 
El Borji brauchen werden. 
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Österreichs Kanusport 9/10 1979
	        
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