Volltext: Politische Flugblätter

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Wo ist da die Theaterzensur — wo die Staatsanwaltschaft — wo 
die strenge Kritik der Frauen auf dem Gebiete der Sitte geblieben? 
Fürchtet man vielleicht gar das Geschrei des Pöbels, der sich 
desto wohler fühlt, je mehr er sich im Schlamme wälzen kann. 
In gleicher Weise war die Sittenpolizei bei dem unsittlichen 
Treiben auf Volksfesten, insbesonders öffentlichen Bällen unthätig 
und ließ zum Verderben der Jugend die frechste Unsittlichkeit (3. B. 
Debardeur-Wirthschaft) grassiren. Es könnte freilich auch Sache des 
Publikums, insbesondere der älteren Männer sein, solchen Gemeinheiten 
gegenüber zu treten als sich selbst damit zu befassen, wie es eben vor— 
kam, daß Männer hervorragender Stellung und mehr als reifen Alters 
sich mit solchem liederlichen Gesindel unterhielten. 
Was würde wohl ein Mann gleicher Stellung aus der ersten 
Hälfte dieses Jahrhunderts dazu sagen, wenn er seinen jetzigen Kollegen 
so Amt und Würde, Alter und graues Haar vergessen sieht. Gehört 
das vielleicht zum Fortschritt, zur liberalen Auffassung aller Verhält⸗ 
nisse? Nein, das gehört zu den traurigsten Zeichen der Zeit, 
daß den Männern eben wenig sittlicher Ernst innewohnt. 
Von größter Wichtigkeit für die Volkserziehung ist die Presse. 
Wir wünschen sie vollkommen frei und verdammen alle polizei— 
lichen Maßregeln, welche die Justiz lähmen, und alles Gesetz wirkungs— 
Dafür müssen wir aber einerseits von den Vertretern der Presse, 
sowie allen die mit Preßerzeugnissen handeln, als Runst- und Bilder— 
händler, Fotografen u. dgl. größere Gewissenhaftigkeit und von den 
Gerichten in Bezug auf alle Verletzungen der öffentlichen Sittlichkeit 
die größte Strenge verlangen. 
Von den Erstern wird zu wenig gewissenhaft in der Mittheilung 
von skandalösen Geschichten, die Ehre Anderer kränkenden Thatsachen, 
Verbreitung unsittlicher Bilder, vorgegangen. 
Mit feiner durchsichtiger Verhüllung, welche der piquanten französi— 
schen Schreibweise entlehnt ist, werden die sittlich eckelhaftesten, die Sinn— 
lichkeit aufregenden Geschichten erzählt, es erscheint das Laster in einer schein— 
bar anständigen Gestalt und wird darum nicht mehr für ein Uebel gehalten. 
Unter der Verwahrung von Garantie für die Richtigkeit der 
Mittheilung werden Thatsachen erzählt, die den guten Ruf Anderer
	        
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