Volltext: Heimatland

himmelstürmende Kunstauffassung des Barock. Der schönste, 
stilvollste, am reichsten dekorierte Raum innerhalb der Stadt¬ 
pfarrkirche ist die Johanneskapelle an der Westwand süd¬ 
lich vom Turm. Sie ist wirklich ein Schmuckkästchen, kostbar 
in der Marmorausstattnng und edel in der Raumbehandlung. 
Der im Rundstil gebaute Raum zeigt die typische Bewegtheit 
des Barock, keine gerade Linie, alles ist in Bewegung, jede Linie 
führt das Auge rund herum und wieder zum Ausgangspunkt 
zurück. Die Wände sind unten aus Marmor, ebenso der Altar¬ 
unterbau. Ueber einem kunstvollen Tabernakel erhebt sich 
auf Wolken schwebend die Gestalt des heiligen Johannes, 
umflossen von dem ans dem Fenster hinter ihm einfallenden 
Licht; der Blick des von Engeln umgebenen Heiligen ist dem 
offenen Himmel zugewendet, den Meister B. Altomonte an 
die Decke der Kapelle gezaubert hat. Dieses freilich ziemlich 
stark übermalte Fresko ist ein Meisterstück in der virtuosen 
Raumbehandlung. In die fast flache Decke weiß der Künstler 
die Illusion einer tiefen Kuppel hineinzuzaubern, die den 
Himmel darstellt mit der heiligsten Dreifaltigkeit im Scheitel¬ 
punkt und die perspektivisch so angelegt ist, daß nicht der Be¬ 
schauer von unten, sondern der heilige Johannes oben auf dem 
Altar geraden Blickes hineinsieht. Die Achse der gemalten 
Kuppel trifft gerade das Angesicht des Heiligen. Diese Art 
eines Gewölbefreskos ist selten und beweist nur aufs neue die 
anden großen Italienern geschulte, meisterhafte Technik unserer 
Barockmaler des 18. Jahrhundertes. 
Der nächste Altar ist der Krenzaltar, ein gleichzeitiges 
Gegenstück zum Florianialtar (Ende des 17. Jahrhundertes) 
mit einem sehr schönen, ausdrucksvollen Kruzifix. Die nächste 
und letzte Kapelle hieß seit jeher die Frauenkapelle und be¬ 
herbergt den alten Kongregationsaltar. Den Abschluß des 
linken Seitenschiffes bildet der Speisaltar mit einem leider 
sehr nachgedunkelten Bilde von Sandrart, darstellend das 
letzte Abendmahl. Das kleine Bild im oberen Teil des Altares, 
das den Tod der heiligen Barbara darstellt und vom gleichen 
Künstler stammt, ist noch viel frischer in den Farben. Aber 
auch das Abendmahlbild hat seinen besonderen Reiz, die Ge¬ 
stalten Christi und der Apostel heben sich mit plastischer Schärfe 
von dem dunklen Hintergründe ab. Joachim Sandrart (1606 
bis 1688) war ein berühmter Maler und Kupferstecher aus Frank-. 
, fürt, der Holland und Italien bereist hat und vom Kaiser 
Ferdinand III. für eine Zeit nach Wien berufen wurde. Das 
Stift Lambach besitzt nenn Altarbilder von ihm, die zu den 
besten Arbeiten des Künstlers gehören. (Manche meinen, das 
Bild in der Stadtpfarrkirche stamme von Johann v. Sandrart, 
einem Neffen des großen Meisters.) 
An der Außenseite der Kirche fesseln unser Interesse das 
schöne Westportal mit der Madonnenstatue darüber und die 
herabhängenden Fruchtgirlanden, das Südportal mit der 
recht stimmungsvollen, gedeckten Vorhalle, sowie die vielen 
in der Kirchenwand eingemauerten Grabsteine, an denen man 
wieder die ganze Stilentwicklnng seit der^Gotik studieren kann. 
An der Nordseite, der Sakristei gegenüber, ist ein Oelberg 
angebracht mit einem schönen eisernen Gitter und guten Fi¬ 
guren von Sattler (St. Florian) aus dem 18. Jahrhundert. 
Die «Dartmskirche auf dem Ttömerberg. 
Die älteste Besiedelung des Platzes, den heute die Stadt 
Linz einnimmt, erfolgte auf der im Westen sich erhebenden 
Anhöhe, deren Name Römerberg noch heute an die Zeit der 
römischen Herrschaft erinnert. In den ersten Jahrhunderten 
unserer Zeitrechnung zählte dieser befestigte Platz mit seiner 
römischen Besatzung zu einer Reihe von Befestigungen, mit 
denen die Römer dig Grenzen von Ufernorikum gegen die 
Anstürme der Gernranen zu schützen suchterr, allerdings ver¬ 
geblich. Mit der Ausdehnung der Grenzen des Rönrerreiches 
ging Hand in Hand die Ausbreitung des Christentums. Speziell 
von der zweiten italienischen Legion, die hier an der Donau in 
Garnison lag, wissen wir, daß ihr zahlreiche Christen angehörten. 
Das erste kirchliche Zentrum war Lorch. Im fünften Jahr¬ 
hundert bestand sicher auch in Linz schon eine christliche Ge¬ 
meinde mit einem bescheidenen, wahrscheinlich hölzernen 
Kirchlein, das sich wohl ungefähr an der Stelle erhob, wo die 
heutige Martinskirche steht. Gegen Ende des achten Jahr¬ 
hundertes kam das Gebiet kirchlich zu Passau. Aus dem Jahre 
799 besitzen wir die erste Nachricht über das kirchliche Leben 
in Linz; damals waltete Rodland, ein Kaplan Karls d. Gr., 
hier seines Amtes. Es scheint damals schon eine regelrechte 
Pfarre bestanden zu haben, die dem Archidiakonat Lorch 
unterstand. Mit dem Pfarrer teilte sich ein Kaplan in die Seel¬ 
sorge. Der erste primitive Betraum hatte damals sicher schon 
einem Steinkirchlein Platz gemacht. Erst als 1286 die Stadt- 
pfarrkirche vollendet war, wurde die Pfarre vom Berge in 
die Ebene übertragen und das denr heiligen Martin geweihte 
Kirchlein wurde Filiale der Stadtpfarrkirche. 
Die Martinskitche erfreute sich aber nach'wie vor großen 
Interesses. Unter Kaiser Friedrich IV. im 15. Jahrhundert 
wurde sie umgebaut und unter Ferdinand II. 1689 erweitert. 
Das Presbyterium hat den gotischen Charakter bis auf den 
heutigen Tag rein erhalten und bietet mit seinem schönen 
Netzgewölbe heute das einzige Beispiel gotischer Kirchen¬ 
baukunst in Linz, da die ehemals ebenfalls gotische Stadtpfarr¬ 
kirche vollständig barockisiert worden ist. Wer heute in Linz 
einen alten, gotischen Kirchenban sehen will, muß zur Martins¬ 
kirche ailf dem Römerberg emporsteigen. Unter Josef II. 
fiel das Gotteshaus der Säkularisation zum Opfer, es wurde 
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