Volltext: Briefe und Tagebuchblätter

Bildung am falschen Platze auf die Nerven fallen können. Die 
Oberkochfrau hat zu den andern gesagt, ich hätte schönes Haat, und 
die eine Köchin nennt mich von dem Augenblicke an, wo sie wußte, 
daß ich schlicht und recht den schönen Namen Becker führe: „Becker¬ 
chen". Ich stecke alles schmunzelnd und sinnig ein. 
Rilke sehe ich jeden Sonntag bis jetzt. Dann besuche ich ihn in 
seinem großen Zimmer in Schmargendorf und wir haben schöne, 
stille Stunden. Er dankt Dir sehr für Deinen Brief und läßt Dich 
durch mich grüßen, obgleich schon die Adressen auf den neuen Ku¬ 
verts, die er mir gab, Grüße an Dich seien, wie er sagte . . . Und 
Clara Westhoff? Kommt sie wohl bald? Schön, Lieber, daß Ihr 
Euch so gut versteht. Sie ist solch ein feines Geschöpf. Und grüße die 
Leutchen auch im Barkenhof. 
Und nun noch eins: Ich wünsche mir sehr ein Helles, hübsches 
Kleid und hier ist so schöne Gelegenheit dazu. Kannst Du mir es 
wohl spendieren? Zirka 50 Mark. Weißt Du, wenn es nicht gut 
geht, dann bin ich auch nicht traurig. Nun lebe wohl, Lieber, ich 
will M. und Tante S). die Einsamen Menschen von Hauptmann 
vorlesen. 
In Innigkeit und großer tiefer Liebe grüßt Dich aus der Ferne 
Deine Braut. 
Berlin, den 31. Januar 1901. 
Ich dachte mir grade aus, daß ich nicht mehr weißes Briefpapier 
Haben wollte, sondern blaues, graublaues. Und da kam Dein großer 
blauer Brief und war blau. So sind unsere beiden Gehirne auch in 
der Ferne miteinander verknüpft. Und wenn der eine „blau" denkt, 
dann muß der andere unwillkürlich mitmachen. Das ist schön, nicht? 
Nun ist Clara Westhoff da und hat mir so viel von Dir erzählt 
und wie schön es in Deinem Atelier ist, Du Lieber. Und Deine 
Briefe erzählen es auch, und dann verschweigen sie noch so vieles, 
daß ich mich so sehr darauf freue, wenn ich die Dinge erst in ihrer 
Schönheit zu schauen bekomme. Aus Deinen Briefen strömt immer 
solch ein sanfter, wunderbarer Hauch, daß ich dann erst recht fühle, 
wie schlecht es mir im Augenblick doch geht. Das heißt: wenn ich 
nicht Ich wäre, oder vielleicht grade, weil ich Ich bin. Wenigstens, 
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