Volltext: 70 Jahre Kuranstalt Bad Hall

der großen Welt in das stille Bergtal verpflanzt habe, wodurch 
ihm die Moral der Bergler allmählich angekränkelt zu werden 
schien. Er äußerte sich zu einem Freunde einmal: „Ich zweifle, 
ob ich durch Errichtung des Bades den Jschlern ein Wohltäter 
geworden bin. Sie haben durch die Kurgäste feinere Lebens- 
gewohnheiten und Bedürfnisse kennen gelernt, welche sich 
immer mehr steigern und bald mit ihrem Einkonnnen nicht mehr 
im Verhältnisse stehen werden." Auch die Reiseschriftsteller 
erwähnen die Tatsache, daß 
sich viele Jschler nur allzusehr 
von dem neuen Leben anstecken 
ließen. Viele legten ihr Ge¬ 
werbe zurück und schufen sich 
durch Vermieten von Zimmern 
einen schönen, mühelosen Ver¬ 
dienst. Man befürchte von 
dieser Ueberspannung des Le¬ 
bensstandards den unvermeid¬ 
lichen Ruin vieler Existenzen 
und auch ein Sinken der Moral. 
Inzwischen dauerte die 
großzügige Bautätigkeit wei¬ 
ter. Als Wirer 1844 starb, war 
Ischl zu einem der ersten inter¬ 
nationalen Bäder des ganzen 
Kontinents emporgewachsen. 
Neben den Geburts- und Geld¬ 
magnaten weilten auch die 
liebenswürdigen Künstler des 
vormärzlichen Oesterreich und 
Wiens in Ischl, Dichter, Kom¬ 
ponisten, Maler, Schauspieler. 
1849 kam Kaiser Franz 
Josef zum erstenmal nach Bad 
Ischl und feierte hier seinen 
19. Geburtstag. In Bad Ischl 
lernte er 1853 auf einem Haus¬ 
ball auch die wittelsbachische 
Prinzessin Elisabeth kennen, mit 
der er sich bald darauf in Ischl 
verlobte. Erzherzogin Sophie 
übergab ihrem Sohne und seiner 
Braut als Brautgeschenk die 
jüngst angekaufte Doktor-Eltz- 
Villa am Fuße des Jainzen, die ini nächsten Jahre (1854) 
ausgebaut wurde, indem an den Mitteltrakt noch zwei Seiten¬ 
trakte angebaut wurden. Die umliegende Gegend wurde in 
einen Park verwandelt und so entstand die bekannte Kaiservilla 
in Bad Ischl. Hier pflegte Franz Josef alljährlich sein Sommer¬ 
lager zu halten und Ischl wurde von nun ab während des 
Sommers der politische Mittelpunkt von ganz Oesterreich, 
ja oft von ganz Europa. Es sah Diplomaten aller Nationen 
kommen und gehen, Kaiser und Könige trafen hier mit dem 
österreichischen Herrscher zusammen, wichtige, schwerwiegende 
Entscheidungen wurden hier gefällt und die Räume der Kaiser¬ 
Von Gmunden nach Bad Ischl: Traunkirchen, einer der 
schönsten Punkte am Traunsee. 
villa haben ein gutes Stück österreichischer Geschichte in ihrem 
Werden erlebt und gesehen. Kaum anderswo hatte sich ein 
Kurort zu solchem Glanze erhoben. Der Präsident von Amerika, 
der König von Siam, der deutsche Kaiser, der englische König, 
die Balkankönige fanden sich in Ischl ein; die Meister ans dem 
Reich der schönen Künste pflegten hier nach wie vor der Er¬ 
holung. 
Natürlich brachte dieser Aufstieg Ischls zur kaiserlichen 
Residenz auch eine gründliche 
Ausgestaltung des Ortes mit 
sich. Ischl wurde früher als 
andere Orte der Segnungen 
der Neuzeit (Eisenbahn, Tele¬ 
graph usw.) in hervorragendem 
Maße teilhaft. Für die hohen 
Gäste mußte jede Bequem¬ 
lichkeit hergestellt werden. 
So nahm Ischl seinen un¬ 
entwegten Aufstieg bis an die 
Schwelle der Kriegsjahre. Es 
kamen die entscheidenden Tage, 
in denen König Eduard von 
England in Ischl weilte und das 
Attentat von Sarajevo, das 
Franz Josef aus Ischl jäh nach 
Wien, zurückberief. In Ischl 
unterzeichnete bald darauf der 
greise Monarch das Ultimatum 
an Serbien. Der unscheinbare 
kleine Salon in der Kaiservilla 
sah die letzten Auftakte zum ge- 
waltigenVölkerringen des Welt¬ 
krieges. Am 30. Juli 1914 ver¬ 
ließ der Kaiser Ischl für immer. 
Mochte auch der Umsturz 
Ischl den Glanz des kaiserlichen 
Hoflagers rauben — es blieb 
eine internationale Kurstätte. 
Insbesondere aus Künstler-, 
Mnsiker-undSchauspielerkreisen 
verbringen angesehene Größen 
ihren Sommeraufenthalt in 
Ischl, das so nach wie vor in 
regem Kontakt mit der Bundes¬ 
hauptstadt steht. Das,, Operetten-Jschl" ist sprichwörtlich ge¬ 
worden. In der Nachkriegszeit haben auch Bestrebungen ein¬ 
gesetzt, Ischl zum großartigen Wintersportplatz und 
Winterkurort auszugestalten, wozu seine ideale Lage wie 
geschaffen ist; Die internationale Presse wurde des öfteren 
nach Ischl eingeladen, um für die Schönheiten dieses Ortes 
im Ausland wirksame Propaganda zu machen. Die Einführung 
des elektrischen Zugsverkehres auf der Salzkammergutbahn 
hat Ischl eine weitere moderne Errungenschaft gebracht. Und 
so hat der freundliche Ort mit seiner reichen Vergangenheit 
auch eine aussichtsreiche Zukunft vor sich. 
Wandert man von der „Perle des Strudenganes" — dem 
lieblichen Städtchen Grein — gegen Norden, so kommt man 
bei der Priehmühle durch ein idyllisches Wiesental an 
Schmieden und Sägen vorbei, und erreicht nach einstündigem 
Wandern den Markt Kreuzen. 430 m über dem Meere, auf 
Granit ruhend, liegt vor uns Bad Kreuzen. In der reich¬ 
bewaldeten Umgebung Kreuzens gibt es viele reine Quellen, 
die bald, zwei Bäche bildend, eng vereint in zahlreichen Wasser¬ 
fällen durch die „Kemat", eine Felsenschlncht, strömen. Stun¬ 
denlang kann man auf wohlgepflegten Wegen wandeln, hier 
im dichten Schatten der Laub- und Nadelwälder, dort durch 
die im Frühlingskleide prangenden Wiesen. 
Vom Plateau der Anstalt lassen wir unser Auge in die 
Ferne schweifen nach allen Himmelsrichtungen. Vor uns das 
Donantal mit der stattlichen Greinbnrg, Schloß Klam, in der 
Ferne leuchten die blauen Alpenberge vom Oetscher bis zum 
20 s
	        
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