Volltext: 70 Jahre Kuranstalt Bad Hall

Bad Hall ist kein. Luxusbad, es ist ein Heilbad in des Wortes 
bester Bedeutung. Die Wirkung seiner Quellen wird unter¬ 
stützt durch seine reine. Luft und landschaftliche Schönheit. 
Ein Maientag mit seinem Blütensegen, ein sonniger Sommertag 
mit den wogenden Saatfeldern oder ein klarer Herbsttag 
mit dem Blick über reizendes Hügelland bis zu den schnee¬ 
gekrönten Alpenmauern schafft mit ;ene nervenbernhigende 
Stimmung, die so überaus viel beiträgt zur Wiedererlangung 
der Gesundheit. 
Noch dehnen wir uns behaglich im Bette, gerade vom 
Morgenschlummer erwacht, da dringen schon die getragenen 
Klänge eines Chorals an unser Ohr. Ein „Choral", also ist 
heute Sonntag, und zwar zirka 6 Uhr früh; denn mit einem 
Choral wird jeden Sonntag die Kurmusik eröffnet. Die Kur¬ 
musik konzertiert morgens gegenüber der Trinkhalle im alten 
Musikpavillon, damit den Kurgästen das Umherwandeln mit 
den Jodgläsern und den Glastrinkröhrchen, um die „Trink¬ 
kur" zwischen 7 bis %9 Uhr morgens zu absolvieren, etwas 
kurzweiliger werde. 
Einzelne Bade¬ 
gäste, denen das Jod¬ 
wasser aus den Aus¬ 
läufen der Trinkhalle 
zu wenig frisch mun¬ 
det, wandern sogar 
zurTassiloquellehinab, 
um direkt an der 
Quelle ihre „Trink¬ 
kur" zu machen. 
Während die letz¬ 
ten Klänge der Kur¬ 
kapelle verhallen, eilt 
alles in die Kaffee¬ 
häuser, um rasch das 
Frühstück einzuneh¬ 
men, wo inzwischen 
auch die Post mit den 
neuesten Zeitungen 
eingelangt ist. Die 
meisten Badegäste 
drängen, schon am 
Vormittag auch ihr 
Bad zu nehmen, da¬ 
mit sie dann am Nach¬ 
mittag in Freiheit das 
Leben genießen kön¬ 
nen. Man wird erstaunt fragen : Ja, kann man denn auch in Bad 
Hall als Kurgast das Leben genießen?, und kommt bald darauf, 
daß die Zeit recht nett und lustig vergeht. 
Ist der Musikhunger durch das Morgenkonzert der Kur¬ 
kapelle noch nicht gestillt, so konzertiert vielleicht die Haller 
Bürgerkapelle am Vormittag in einem der Musikpavillons 
auf dem Marktplatz von Bad Hall, ganz bestimmt gibt es über 
nachmittags wieder von 4 bis 6 Uhr Konzert der Kurkapelle 
im Parkrondo vor dem Kurhaus. 
Um diese Nachmittagskonzerte abwechslungsreicher ' zu 
gestalten, veranstaltet die Kurkommission einige Male in der 
Kursaison an Sonntagnachmittagen Tombolas im Park¬ 
rondo. Gegenüber dem neuen Musikpavillon wird der reiche 
Gewinntempel aufgebaut mit Chinasilbervasen, Rauchservicen, 
Blumenvasen, Bonbonnieren, Fächern und Aehnlichem. Bald 
steht ein dichtgedrängter Bienenschwarm gewinnhoffender 
Kurgäste um die Nummerntafeln, eifrig in der eigenen Karte 
forschend, wie die Aussichten auf einen „Terno", „Quaterno" 
oder „Quinterno" stehen. Je mehr das Spiel seinem Ende 
m 
zugeht, desto weiter arbeiten sich die Tombolaspieler, welche 
Aussicht auf Gewinne haben, an die ausrufenden Amtsorgane 
heran; gilt es doch, zum Schlüsse schnell zu sein, um möglichst 
rasch seine Karte mit dem „Quinterno" dem Diener in die Hand 
zu drücken und sich so den wertvollen Tombolagewinn zu 
sichern. 
Aber nicht alle Kurgäste sind „Spielratten" und auf das 
Glückspiel erpicht. Selbst bei großer Hitze bietet der weite, 
herrliche, alte Kurpark genug schattiger Plätzchen, wo man be¬ 
quem ein Buch lesen 
kann. 
Mancher Kurgast 
will's wieder prakti¬ 
scher haben, er er¬ 
klettert den Posen¬ 
hügel gleich hinter dem 
alten Musikpavillon, 
der mit seiner üppigen 
Rosenpracht einem 
Dornröschenschlosse 
ähnelt. 
Die Prosaiker un¬ 
ter dem Kurpublikum 
aber ziehen es vor, 
an einem der zahlrei¬ 
chen Tische einen kräf¬ 
tigen Tarok zu arran¬ 
gieren. 
Doch auch den 
Badegästen, welche 
auf einige Stunden 
dem Haller Getriebe 
entfliehen wollen, 
stehen genug nahe 
Ausflugsziele zu Ge¬ 
bote: Will man nur 
eine Jause einnehmen, 
in 20 Minuten ist man in Pfarrkirchen oder in Mühlgrub. 
In Mühlgrub kann man sogar die Forellen mit eigener Hand 
mit Hilfe eines kleinen Netzes aus dem Fischbehälter fischen 
und eigenhändig in die Küche tragen, damit man ja sicher ist, 
daß man keinen gebackenen Weißfisch statt der ersehnten Forelle 
serviert bekommt. Riskiert man aber eine kleine Wanderung 
zur Eduardhöhe, so hat man eine herrliche Aussicht auf Bad 
Hall. Ist der Kurgast noch unternehmungslustiger, so mag er 
in Fünfviertelstunden nach Adlwang pilgern, dort ist er schon 
in durchaus ländlicher Umgebung und spürt vom Bad Haller 
Kurleben soviel wie nichts mehr. 
Noch mehr der Bad Haller Kuratmosphäre ist man natür¬ 
lich entrückt, wenn man den Fußweg (2% Stunden) bis Stein¬ 
bach—Grünburg über „die hohe Pinde" einschlägt; an den 
malerischen Ufern der rauschenden Steyr kann man sich dann 
an deren landschaftlichen Reizen der Ausläufer des Sengsen- 
gebirges kaum sattsehen. 
Den Heimatkundler und Kunstfreund locken zwei andere 
Ziele: Eine Stunde Fahrt mit der Steyrtalbahn bringt uns 
Aelteste Trinkhalle, angebaut an die Tassiloqnelle. 
Wird jetzt als Jodproduktenmagazin und zum Salzsud verwendet.
	        
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