Volltext: Die militärische, wirtschaftliche und finanzielle Rüstung Deutschlands von der Reichsgründung bis zum Ausbruch des Weltkrieges (Erster Band)

Rückblick. 
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zuziehen, aus der sich ergibt, daß die Belastung auf den Kopf der Bevölke 
rung durch Rüstungsausgaben in Deutschland stets geringer war als in 
Frankreich oder England^). 
Wenn man zur Sicherung der deutschen Küsten und des Überseehandels 
die Schaffung einer stärkeren Seemacht nicht entbehren zu können glaubte, 
so war die Vorbedingung hierfür ein Landheer von solcher Stärke, daß 
es alle Angriffe möglicher Gegner abzuwehren vermochte und diese vor 
einer kriegerischen Auseinandersetzung mit Deutschland bis zur beendeten 
Durchführung des Flottenausbaues zurückschrecken ließ. Daß der groß 
zügige und schnell durchgeführte Flottenbau, der kurz vor der Jahrhundert 
wende einsetzte, nicht nur finanzpolitisch, sondern auch außenpolitisch eine 
starke Belastung des Reiches bedeutete, unterlag keinem Zweifel; über die 
Gefahren während der zu erwartenden „Risikozeit" konnte nur die Stärke 
des Landheeres hinweghelfen. Das Schicksal des Reiches in einem Kampfe 
um seinen Bestand wurde zu Lande entschieden. Solange nicht der Weg 
internationaler Verständigung über Einschränkung der militärischen Rüstun 
gen beschritten war, mußte daher oberstes Gesetz sein, daß die 
G esamtpolitik des Reiches getragen wurde von 
einem Landheere, dessen Schlagkraft und Größe die 
Sicherheit des Reiches jederzeit und unter allen 
Umständen — auch im Kampfe nach zwei Fronten — 
zu gewährlei st en vermochte. 
Bei dem Ausgleich zwischen den Anforderungen von Heer und Flotte 
wurden aus solcher Erkenntnis indes nicht die notwendigen Folgerungen 
gezogen. Das Fehlen einer den Kaiser beratenden, den obersten Behörden 
übergeordneten, ausgleichenden militärischen Organisation für die einheit 
liche Bearbeitung aller Fragen der Landesverteidigung, wie sie Frankreich 
in deni Obersten Landesverteidigungsrat und England in dem Reichsver 
teidigungskomitee besaßen, machte sich immer nachteiliger fühlbar^). 
Als in den Jahren vor dem Weltkriege durch fortgesetzte schwere 
außenpolitische Krisen und schließlich durch den Ausbruch des Balkan- 
krieges die drohende Gefahr offenkundig geworden war, wurde die Kriegs 
bereitschaft des Reiches einer erneuten Nachprüfung unterzogen, und 
zwar jetzt nicht nur auf militärischem, sondern auch auf wirtschaftlichem 
Gebiete. Dank der vorausschauenden Arbeit der Führer des deutschen 
!) Tabelle 21. 
2 ) Die seit dem Jahre 1873 bestehende und seit 1888 nicht mehr berufene 
deutsche Landesverteidigungskommission hatte sich lediglich mit Fragen der Landes 
befestigung zu befassen.
	        
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