Leistungsfähigkeit der deutschen Industrie.
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deutender Teil der eingeführten Eisenerze in der Form von Roheisen und
fertigen Cisenwaren der verschiedensten Art von der deutschen Industrie ini
Auslande wieder abgesetzt wurde. Überdies waren zahlreiche Cisenerzberg-
werke innerhalb der Grenzen des Deutschen Reiches als unrentabel still
gelegt worden. Ihre Wiederinbetriebsetzung konnte im Notfälle Teile der
ausländischen Zufuhren ersetzen. Vei Offenhaltung des Seeweges nach
dem nördlichen Schweden war außerdem von dort auf einen Teil der be
nötigten Crzeinfuhren zu rechnen. Die Zufuhren von Österreich-Ungarn
schienen ohnehin nicht gefährdet zu sein. Jedenfalls konnte die deutsche
Eisenindustrie den Inlandsverbrauch in Höhe des Friedensstandes auch nach
Ausbleiben der Crzeinfuhren aus Spanien, Rußland, Frankreich, Nordafrika
und anderen Ländern nahezu ungeschmälert aufrechterhalten.
Vei weitem bedenklicher war der große Mangel, der in den wichtigsten
Stahlhärtungs- und sonstigen notwendigen Hilfsmetallen bestand. Die
deutsche Industrie war bei der Versorgung mit diesen Metallen wesentlich
auf die Zufuhren vom Auslande angewiesen, und ohne Zuhilfenahme der
ausländischen Quellen hätte die Entwicklung der hochwertigen deutschen
Eisenindustrie einen erheblich bescheideneren Amfang erreicht. So gering
die benötigten Mengen dieser Erze waren, so bedeutungsvoll, ja ausschlag
gebend waren sie für die Qualität des Stahles und des Eisens oder für die
Brauchbarkeit der aus ihnen gefertigten Gegenstände. Lediglich an Vlei
und Zink reichten die im Inlande geförderten Mengen für die Herstellung
der auf dem Inlandsmarkte abgesetzten Fertigwaren zur Rot aus. Dagegen
wurde das in fast allen Industriezweigen verwandte Weichmetall, das
Kupfer, nur zu einem Fünftel des Friedensverbrauchs im Inlande ge
wonnen; einige Stahlhärtungsmetalle, die Wolframerze, das Chrom und
Antimon, sodann das wichtige Nickel, Aluminium und Zinn stammten
neben einer eigenen bescheidenen Förderung ganz aus dem Auslande. End
lich wurde das wichtigste Hilfsmetall für die Stahlherstellung (Mangan
erz) von der deutschen Eisenindustrie vollständig aus dem Auslande be
zogen. Wenn die Zufuhren aus Rußland, Spanien, Brasilien und den
indischen Ländern ausfielen, mußte ein empfindlicher Mangel eintreten.
Auf die heimischen Bodenschätze gestützt, durch ausländische Rohstoffe
ergänzt, war die deutsche Kohlen- und Eisenindustrie in der Zeit von 1871
bis zum Kriegsausbruch zu einer bedeutenden, in der ganzen Welt an
erkannten Machtstellung gelangt. Seit 1910 hatte Deutschlands Roh
eisenproduktion die des alten industriestarken Englands weit übertroffen
und stand nach den Vereinigten Staaten von Amerika an der ersten Stelle
in der Welt. In noch nicht 40 Jahren, von 1871 bis 1910, hatte die
deutsche Wirtschaft die Noheisenverarbeitung um das Siebenfache steigern