Volltext: Bittere Wahrheiten!

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Dabei waren alle Staaten infolge ihrer immer 
mehr anwachsenden inneren Schwierigkeiten, hervor 
gerufen durch den zunehmenden Klassenkampf, in 
einen so überreizten Zustand geraten, daß sie sich 
der Tragweite ihrer einseitigen Entwicklung gar nicht 
mehr bewußt waren. Nur so ist das gänzliche ver 
sagen der gesamten europäischen Diplomatie zu er 
klären. wir sind zwar sehr geneigt, unserer eigenen 
Diplomatie krasse Unwissenheit vorzuwerfen, aber es 
scheint, daß die feindlichen Diplomaten nicht um ein 
Haar klüger waren. 
England hätte die Möglichkeit gehabt, neutral 
zu bleiben und hätte dabei ungeheuren Gewinn ein 
streichen können. Ls wäre so reich geworden, daß es 
für wenigstens 100 Jahre Deutschland und Amerika 
nicht zu fürchten gebraucht hätte. Selbst nach der 
österreichischen und deutschen Kriegserklärung an 
Frankreich und Nußland gab es noch englische Tages 
blätter, die schrieben: „wir bleiben neutral." Daß es 
nicht so kam, ist mir ein Beweis, daß selbst die sonst 
so kühl rechnende englische Diplomatie den Kops ver 
loren hat. 
Der Konkurrenzkampf Europas war eben in 
jeder Beziehung aus die Spitze getrieben worden. 
Der drohende Aufstieg des sogenannten Proletariats 
im Innern, die verwickelten Vertragsverhältnisse gegen 
Außen, das allgemeine Schuldbewußtsein, das schlechte 
Gewissen der Welt, ließ endlich den Negierenden keinen 
anderen Ausweg möglich erscheinen, als den Sprung 
ins Ungewisse, in die Weltkatastrophe. Diese war also 
auch der Zusammenbruch eines schon lange ver 
rotteten diplomatischen Systems. 
wenn wir auch niedergebrochen sind und unsere 
feinde in maßlosem Jubel den Sieg der „Gerechtig 
keit" verkünden, die alte Diplomatie darf und wird 
auch bei unseren Feinden nicht mehr ausstehen. Das 
Weltgewissen kann solche Schuld nicht auf sich nehmen. 
Auch aus dem tollsten Jubel unserer Gegner klingt, 
wenn man aufmerksam hinhorcht, die Stimme des 
schlechten Gewissens und sie würden wohl nicht so
	        
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