nische Bildungswesen eine Million. Aber damit nicht genug, werden in
jedem Jahre neue Mittelschulen errichtet, jede Bezirksstadt will ihr Gymna
sium haben, um die besten Köpfe dem Land zu entfremden und die überfüllte
Stadt mit intellektuellem Proletariat vollzustopfen. Was würde man zu
einem Fabrikanten sagen, der darüber jammert, daß der Markt mit Schreib
maschinen überfüllt ist, während starke Nachfrage nach Nähmaschinen
herrscht und der nun daran ginge, seine Nähmaschinenproduktion noch weiter
einzuschränken und seine Schreibmaschinenproduktion noch mehr zu vergrö
ßern? Man würde ihn einen Dummkopf schelten, und keine andere Beurtei
lung verdient unsere Schulpolitik.
Man wird diese Betrachtungen vielleicht als „bildungsfeindlich"
bezeichnen, sie sind es nicht. Denn, was wir fordern, ist nicht eine Verringe
rung des Schulwesens, sondern eine Umstellung des Schulwesens von der
„Studiertenschule" zur Arbeitsschule. Wir unterschätzen den Gelehrten, den
Ingenieur, den Beamten, den Arzt keineswegs; jeder Fortschritt in der
Wissenschaft, in der Technik, in der Verwaltung, in der Volksgesundheit
ist unmöglich ohne sie. Aber wir verwahren uns dagegen, daß die Arbeit des
Bauern, des Arbeiters, des Gewerbetreibenden und Handwerkers als eine
minderwertige angesehen wird, wir verwahren uns gegen die Auffassung,
daß die Angehörigen dieser Berufsstände einer höheren geistigen Ausbildung
nicht bedürftig oder nicht fähig sind. Wenn die notwendige Anpassung dieser
Berufe an die Erfordernisse der neuen Zeit so weit zurückgeblieben ist, so
liegt der Hauptgrund darin, daß man ihnen die für ihren Beruf unentbehr
liche höhere Ausbildung verweigert hat.
Wie auf allen Gebieten, so verlangen wir auch auf diesem Gebiete
vom Staate planmäßiges Handeln. Der Staat muß zuerst feststellen:
wie hoch ist mein jährlicher Bedarf an Aerzten, Rechtsanwälten, Beamten
und Ingenieuren, und wie hoch ist mein Bedarf an geschulten Landwirten,
Qualitätsarbeitern, Kaufleuten und Gewerbetreibenden? Und darnach muß
der Staat seine Mittel verteilen (auf eigene Kosten mag jeder lernen, was
er will, aber nicht auf Staatskosten) und es wird sich bald herausstellen,
daß er in Hinkunft 10 oder 20 Millionen für die Mittelschulen und Hoch
schulen und 30 bis 40 Millionen für die Fachschulen auswerfen muß.
Daß diese Umwälzung in der Schulpolitik nicht in einigen Jahren
durchgeführt werden kann, ist uns bewußt. Aber sie soll in den vier Jahren
des kommenden Nationalrates grundlegend angebahnt werden.
Keinesfalls dürfen neue „Studiertenschulen" errichtet werden, kei
nesfalls darf der Stand an Professoren für diese Schulen vergrößert wer
den. Hingegen sind Lehrer für die Fachschulen auszubilden oder umzuschulen,
denn es werden sich gewiß junge strebsame Lehrer finden, die sich für den
Lehrberuf in einer Fachschule ausbilden wollen. So wird sich die Umschulung
ganz allmählich vollziehen. In demselben Maße als die Studiertenschule
ihren Wirkungskreis verengt, wird die Fachschule Boden gewinnen und
während die oberen Klassen des Bezirksgymnasiums noch die Punischen
Kriege und den Aorist griechischer Verben büffeln, werden die unteren Jahr
gänge schon einen Vortrag über die Kalidüngung, oder über landwirtschaft
liche Buchführung hören. Und im gleichen Maße wie die landwirtschaftliche
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