Cr. Geyer, Touren von Hallstatt.
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zierlich geformten doppelzinkigen Dirndln gelangt. Jetzt taucht auch
neben dem Gjaidstein der Grat des Koppenkarstein auf, bald ist die
oberste Firnterrasse gewonnen und fast horizontal wandern wir dem
Fusse des Dachstein zu.
Eine steile Firnhalde zieht hier empor, rechts über derselben
baut sich als dreieckige Wand der höchste Gipfel auf, links reicht
der Firn bis zur Kammhöhe der vom Dachstein gegen 0. streichenden
Dachsteinwand, welche mit steilem Felspfeiler zum Gletscher
abfällt. Wir haben die Wahl dreier Wege. Liegt noch viel Schnee,
so kann über die Firnhalde direct ansteigend an einer Felsnase die
Wand des Gipfels unmittelbar erreicht werden. Ist jedoch der Gletscher
stark ausgeapert, so öffnet sich unterhalb des Felsrandes eine breite
Randkluft, zu deren Ueberschreitung früher von der Dachsteinwand
eine dort verwahrte Leiter mitgeschleift werden musste. War das
Herauftragen der Leiter, noch mehr aber das Ueberschreiten der
Randkluft, dann die Erklimmung des Eishangs ober derselben und
endlich die Passage einer morschen Leiter in einer Felsnische schon
eine missliche Sache, so wurde dieser Weg 1877 völlig unmöglich,
indem sich die Spalte derart erweiterte, dass selbst mehrere aneinander
gebundene Leitern zu deren Ueberbrückung nicht genügt hätten.
Desshalb wurde von der Section Austria ein neuer Anstieg eröffnet,
welcher mittels Seilen und eingelassenen Stiften zunächst den öst
lichen Felsvorbau der Dachsteinwand erklimmt, dann dem Grat ent
lang und endlich wieder die N.-Seite der Wand traversirend oberhalb
der Kluft in den alten mündet. Dies ist der zweite, jetzt allgemein
gebräuchliche Anstieg. Der dritte empfiehlt sich dann, und das dürfte
doch oft der Fall sein, wenn die Rändklüfte*) noch nicht über die
ganze Breite der Firnhalde reichen. Man ersteigt dann einfach die
unter 40° Neigung zur Schulter emporziehende Schneewand und
traversirt über ein bequemes Felsband zum alten Weg. Von der
Vereinigungsstelle, in deren Nähe eine Inschrift den Umkehrpunkt
einer hohen Persönlichkeit bezeichnet, zieht eine 60—70° steile,
häufig mit Eis erfüllte Schlucht bis zur Spitze; an der rechten
Seite dieser Schlucht ist ein starkes Hanftau aufgezogen und sind
zahlreiche Eisenstifte eingeschlagen, über welche man in einer
halben Stunde den Gipfel erklettert. Für halbwegs geübte Touristen
ist auch dieses letzte Stück ganz unbedenklich, doch empfiehlt es
sich, zum ungehinderten Gebrauch der Hände den Bergstock zurück
zulassen.
Erzherzog Johann, welcher die Anregung zur Besteigung so
vieler Gipfel der österreichischen Alpen gab, lenkte auch zuerst in
den Jahren 1810 und 1811 die Aufmerksamkeit auf den Dachstein.
*) Es sind gewöhnlich mehrere untereinander.
Zeitschrift 1881.
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