Volltext: Zwei Jahre italienischer Krieg

um vor allen Dingen Triest zu erobern, was ja für die italienischen 
Waffen einen Erfolg von weittragender moralischer und politischer 
Wirkung bedeutet hätte. Gleichzeitig wollte sie auch versuchen, 
durch das Pustertal und über Tarvis in das Innere der österreichischen 
Lande einzubrechen, wohl eingedenk des alten Wortes, das einst 
der große Napoleon gesprochen hatte: ,,Der kürzeste Weg nach Wien 
von Italien führt über Tarvis“. Das dritte Ziel, das zum Angriff 
gewählt wurde, war Trient, das Herz Südtirols. Hierfür waren 
wohl hauptsächlich politische Gründe maßgebend, da Trient, der 
Brennpunkt der italienischen Irredenta, nach dem Wunsch der 
Kriegsparteien in Italien zuallererst ,,erlöst werden sollte“. Die 
Befreiung und Erlösung der italienischen Gebiete Südtirols hätte 
die Kriegsbegeisterung in Italien zu den höchsten Flammen ent¬ 
facht und dem Kabinett Salandra eine Stütze für die Ewigkeit 
verliehen. 
Die Italiener haben sich für das Mißlingen ihrer Offensive 
gerade in Südtirol damit entschuldigt, daß die Grenze, die ihnen 
im Jahre 1866 durch Österreich-Ungarn aufgenötigt worden sei, 
dem Verteidiger alle, dem Angreifer keine Vorteile biete. Südtirol 
springt wohl wie eine Bastion aus der allgemeinen Verteidigungs¬ 
linie Tirols heraus, ist aber leicht von beiden Seiten zu umfassen. 
Die Italiener versuchten es denn auch mit einem konzentrischen 
Angriff, dessen Ziel Trient war. Sie kamen aber nicht weiter, als der 
Verteidiger sie kommen ließ, und konnten weder an Rovreit heran¬ 
gelangen, noch an der Hochfläche von Lafraun und Vielgereuth, 
trotz ihrer schweren Artillerie, die Verteidigungswerke nieder- 
kämpfen. Rettungslos blieb ihr Angriff stecken, und sie haben 
ihn auch in größerem Stile nie wieder versucht. 
Zu der militärischen Enttäuschung kam auch noch die poli¬ 
tische hinzu. Die Italiener, deren Agitation während der letzten 
Jahre stets darauf gerichtet war, die Welt davon zu überzeugen, 
daß ihre italienischen Stammesbrüder den Augenblick kaum er¬ 
warten können, von der österreichischen Gewaltherrschaft und 
Tyrannei befreit zu werden, sie mußten nun erleben, wie eben diese 
Stammesbrüder in den wenigen Ortschaften, die die Italiener 
besetzen konnten, den ,,Befreier“ kühl bis ans Herz hinan auf- 
nahmen und sich ihm gegenüber sogar ablehnend und feindselig 
verhielten. Diese Enttäuschung hat wohl auch viel dazu beigetragen, 
den Erlösungseifer der Italiener abzukühlen und ihr Augenmerk 
der Isonzofront zuzukehren, wo als nahe Beute Triest von seinen 
grünen Bergen leuchtet. 
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