Volltext: Die Stiftungsurkunde des Klosters Kremsmünster

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Die Pertinenzformel des Stiftbriefes muß auf eine viel um¬ 
fassendere Tradition Bezug nehmen als die der beiden anderen Ur¬ 
kunden ; darum ist sie auch breiter gehalten. Gemeinsam ist allen 
drei Formeln der Ausdruck der Totalität „omnia ex integro“ „mobile 
vel immobile, cultum vel inc'ultum“,1) die Einteilung der Unfreien in 
Leibeigene und Abgabenpflichtige,2) die Aufzählung der Grundstücke: 
Ländereien, Wiesen, Felder, Wälder und Wasserläufe,3) die Zusicherung 
dauernden und festen Besitzes. Daß diese letztere Formel, die sich in 
den altbayrischen Urkunden immer und immer wieder findet, tatsächlich 
in der Stiftungsurkunde enthalten war, zeigt das Bestätigungsdiplom 
Karls d. Gr., das mit den Worten „per dicti Tassiloni traditionem hoc 
firmiter et stabile minime permanere poterat“4) direkt auf sie 
Bezug nimmt. 
Die Pönformel der drei Urkunden droht dem wider sie Han¬ 
delnden 1. den Zorn Gottes an, 2. die Gemeinschaft mit Judas, dem 
Verräter, 3. den Rechtsstreit mit dem Kirchenpatron5) und betont 4. die 
unveränderliche und fortdauernde Rechtsgültigkeit der Urkunde auch 
für den Fall der Nichtbeachtung. Erwähnenswert ist vielleicht nur, 
daß die Androhung der Gemeinschaft mit Judas in den Freisinger 
Urkunden zum erstenmal im Jahr 773 vorkommt,6) daß die An¬ 
drohung weltlicher Strafen, die sich in den älteren Traditionen sehr 
oft konstatieren läßt, in der späteren Zeit immer mehr verschwindet.7) 
C. Das Protokoll 
Wie erwähnt sind die bayrischen Urkunden in der Regel einfach 
und schlicht gehalten. Dem nüchternen, trockenen Stil, in dem das 
Rechtsgeschäft aufgezeichnet ist, der einfachen Form der Zeugen¬ 
einführung entspricht auch die Kürze des Protokolls, das gewöhnlich 
J Wenn der Stiftbrief diese Wendungen am Anfang der Pertinenzformel 
bringt, die beiden anderen Urkunden dagegen zum Schluß, so ist dies dadurch 
bedingt, daß jener alle tradierten Einzelobjekte (que supra diximus per singulas 
locas) nochmals zusammenfaßt und dann erst die Pertinenzformel anfügt, während 
es sich bei diesen nur um einige wenige Objekte handelt, so daß eine Wieder¬ 
holung von selbst entfällt und die Pertinenzformel unmittelbar mit der einen 
Tradition verbunden ist. 
2) Die Scheftlarner Urkunde erwähnt auch Kolonen. 
3) In der Scheftl. Urk. auch stehende Gewässer. 
4J MGh. Dipl. Karol. I. S. 228. 
5) In der Passauer Urkunde ist neben St. Stephan und St. Valentin un¬ 
gewöhnlicherweise auch der Apostel Petrus genannt. 
6) B. n. 55. Bitterauf gibt unrichtig n. 112 (783—791) an. 
7) B. n. 5 (750), n. 14 (759), 19 (763), 20 (764), 24 (765), 30, 34, 35 (769) usw.
	        
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